
Aufwachen in Bulgarien - und die Wetter-App hatte leider recht: der Regen pladdert auf´s Autodach! Blick aus der Tür: Berggipfel, die in Wolkenmassen verschwinden, eine Hängebrücke und darunter strudelt die Struma. Paddelbar wäre sie, allerdings gibt das Internet nur ungenaue Auskunft, wo sich leichte, mittelschwere und schwierigere Abschnitte befinden. Also das bewährte Rezept: wir suchen eine Raft-Station. Problem: der Regen! Zumindest für meinen Beifahrer! Ekelhaft - und wo sollen die Klamotten nachher trocknen - und kalt - und nass - und bääh!!! Na gut, erstmal Frühstück suchen, vielleicht steigt dann die Stimmung. Am Wegesrand taucht aber noch vor der Frühstücks-Gelegenheit ein Raft-Camp auf. Doch lieber gleich mal fragen, vielleicht kann man ja was ausmachen! Der (sehr freundliche, junge) Raft-Guide schaut auf die Uhr. Kein Problem, erklärt er, wir können uns gerne anschließen, in dreißig Minuten startet seine Tour. Und Geld will er auch nicht, ist ja ohnehin unterwegs. Und nein, nicht schwierig, etwa Level zwei! Klingt bestens, allerdings fällt, damit das Frühstück flach. Ich sage trotzdem zu und wer mich kennt, wird das kaum glauben! Boote abladen und umziehen - und in meiner Schwimmweste findet sich noch ein Obstriegel - etwas eingerissen und darum durchgeweicht. Aber was soll´s, wenn er Leben rettet? Die raftwillige Truppe ist inzwischen auch eingetroffen: eine israelische Familie mit drei Kindern. Es kann also losgehen! Gleich zu Beginn erzählt die Israelin, was sie von einem türkischen Raft-Guide gelernt hat.

Mit dem Schlachtruf: "Nag nag nag!" muss die Truppe im Boot angefeuert werden. Also dann: "Nag nag nag nag nag.". Noch fließt die Struma nämlich recht zahm dahin, es kann also der Regen und die Wolken und ja, auch das von teilweise steilen Felswänden und idyllischen Wiesen gesäumte Ufer bestaunt werden. Ach ja, auch mein Mitfahrer genießt inzwischen die Tour, noch mehr, als im zweiten Teil das Tempo plötzlich zunimmt! "Nagnagnagnagnagnag.", schießt das Raft die Katarakte hinunter und ich bin etwas überrascht: aus meinen hübschen Wellenzügen werden plötzlich verblockte Durchfahrten mit nicht ganz niedrigen Stufen! Wo ist der mir versprochene Zweier-Bach??? Doch alles gut: zwischen den schwierigen Passagen gibt´s genug Zeit zum Durchschnaufen! Und es ist tatsächlich alles sehr gut machbar, mein Bootchen und ich bleiben schön an der Wasseroberfläche, auch wenn wir an einer Stelle mächtig Schräglage hatten. Und an einer anderen falsch abgebogen sind - oder eben nicht so, wie der Vorfahrer. Hoppla, da geht´s aber runter, noch dazu mit Seitenströmung! Zack - schräg drüber uns platsch - knapp zwei Meter weiter unten eingeschlagen! Huiuiui - überlebt!

Aber jetzt wird´s schon wieder ruhiger und rechts taucht nach etwa sieben Kilometern auch schon der Ausstieg auf und wir dürfen unsere Boote auf den Anhänger laden. Auf der Rückfahrt können wir uns ein bisschen mit den Israelis unterhalten: einen ganzen Monat sind sie in Griechenland und Bulgarien unterwegs. Auf meine Frage, ob in Israel denn gerade Ferien sind, lächelt sie verschmitzt. Nein, sie haben die Kinder von der Schule "befreit". Ob das problematisch wäre. Erfreut wären die Schulleiter wohl nicht gewesen und hätten auch etwas Theater gemacht, aber da sie zu den Familien gehören, die sich "gut um ihre Kinder kümmern", wäre es wohl schlussendlich akzeptiert worden. Und: "They learn other things now!" Unrecht hat sie nicht! Die Familie staunt noch ein wenig darüber, wie wir drei Monate in einem Auto wohnen können, dann trennen sich unsere Wege. Und natürlich bekommt unser netter Raft-Guide trotzdem was für seine (seiner Meinung nach nicht vorhandenen) Mühen.14.00 und außer dem aufgeweichten Obstriegel nichts im Magen! Und es regnet noch immer! Also werden zwei Entscheidungen getroffen: erstens, wir essen. Zweitens: heute gönnen wir uns mal richtigen Luxus und steigen in einem Hotel mit Wellness-Bereich ab! Beides wird sofort in die Tat umgesetzt. Im Ski-Örtchen Bansko speisen wir in einem Hüttchen Pizza, Bohnensuppe, Salat und Bred - ein Teigfladen mit "gelbem Käse" und Knoblauch.

Und Kaffee! Danach steigen wir im "Saint George Palace" ab und treffen am Eingang unsere Israelis wieder! "You don´t sleep in car this night?" schmunzeln sie. Wir sind wohl ein wenig unglaubwürdig geworden!Aber wir genießen es! Sauna! Swimmingpool! Heiße Dusche! Whirlpool! Und der Herr des Campers gönnt sich gar eine Massage! 50 Minuten lang! So ist das manchmal, wenn man aus der Wildnis kommt! Nur zwei Dinge lernten wir noch an diesem Abend: wenn man in Bulgarien Trauben-Rakia bestellt und gefragt wird, ob man "large" möchte, sollte man "nein" sagen: "large" sind sage und schreibe 0,05l! Wir haben nicht leer getrunken! Und man sollte das mazedonische Kleingeld nicht mit dem bulgarischen vermischen: im dämmrigen Licht des Restaurants dauert es ewig, bis die Münzen mit der kyrillischen Schrift wieder sortiert sind!
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