
Haushaltsvormittag in Sapareva Banja: bevor´s weitergeht mal wieder klar Schiff machen. Wäsche wurde gestern Abend schon gewaschen (in einer ECHTEN Waschmaschine – Luxus!), aber wegen Regen nicht aufgehängt. Das wird also zuerst gemacht, allerdings ist uns der Wettergott auch diesmal nicht gewogen: neblig, kühl und etwas feucht. Wir genießen unser Frühstück also gut verpackt, Jürgen perfektioniert sich im Umgang mit dem neuen, in Ohrid gekauften Kännchen für türkischen Kaffee und ich sortiere das Geld aus aller Herren Balkanstaaten in Tütchen (zur Wiederverwendung) und meine Erinnerungen beim Schreiben der letzten Reise-Geschichte. Doch in Nullkommanichts ist´s vorbei mit der gemütlichen und arbeitsamen Stimmung, denn zurück kommt: der Regen. Zwar nur in Nieselform, trotzdem wird Wäsche und Paddelkram eilig von der Leine entfernt und (Lob den Ikea-Tüten) im Auto verstaut.

Dann eben gleich weiter nach Plovdiv, etwas nach Osten und etwas nach Süden, insgesamt ungefähr zwei Stunden lang. Heute passieren wir die Kartoffel-Region, allerorten wird fleißig geerntet und verkauft, allerdings in Riesensäcken: kein Platz dafür im Camper. Und am Horizont, wohin man auch blickt, Hügelketten und Berge. Ich, als passionierte Auto-Schläferin habe mir diese Gewohnheit übrigens weitestgehend abgewöhnt: man verpasst zu viel! Unser neuer Schlafplatz ist im Grunde genommen der Garten eines in einem Vorort Plovdivs lebenden Ukrainers. Nach einer Menge Gerumpel durch schlaglochdurchsetzte Vorstadtgässchen halten wir vor seinem Hoftor und werden sogleich von einem ukrainischen Käpsele begrüßt. Als wahrer Tausendsassa ist er gerade dabei, seinen Garten zu einem Kamp umzubauen. Vorhanden bisher: ein Brunnen für Frischwasser und eine „authentic retro- toilet“, was bedeutet: Häuschen mit Loch im Boden. Aber im nächsten Jahr werden wir hier Küche und Waschhaus vorfinden. Dimitry hat auch sonst viel erzählen. Sofort rät er uns davon ab, in der Stadt selbstgebrannten Schnaps zu trinken und erläutert uns das Brennverfahren seines hauseigenen „Bulgarian Whiskey“ (Grappa), berichtet uns über seinen Job in Plovdiv (Airbrush-Technik für Autos. „my Firma“) und über seine Pläne für das Kamp. Neben uns parkt übrigens ein reisebusgroßes Camping-Mobil mit ausfahrbaren Flanken. Briten, erfahren wir und sind auch sonst gleich im Bilde: ein Vater mit seiner Tochter, urlauben seit drei Wochen und wollen für kleines Geld wohnen (also auf Dimitris Kamp – 5 Euro pro Person und Nacht), haben den Camper in der Ukraine gekauft und in Bulgarien angemeldet. Sachen gibt´s! Dimitry bietet uns auch sofort an, uns nach Plovdiv zu kutschieren, um die doppelten Taxi-Kosten zu sparen. Wir bezahlen 5 EUR für gute 15 Kilometer in die Stadt! In diesem Moment erscheint die 14-jährige Tochter Lisa mit knallrot gefärbten Haaren und einem Teller Keksen auf der Bildfläche. Dass die Kekse nur Vorwand sind, wird schnell klar, denn Lisa hat sowohl Charme, als auch Kommunikationsfreude vom Vater geerbt. Begeisterung über die Kajaks („can I touch?“), Begeisterung darüber, Deutsche kennenzulernen (und gleich zählt sie auf, welche Nationalitäten schon hier übernachtet haben: „my collection“), Begeisterung über unsere Reisepläne (aber auch wir müssen eines Tages an unsere Arbeit zurück). Und bald haben wir auch erfahren, dass wir einen gitarrespielenden, tattoo-entwerfenden Rammstein-Fan vor uns haben. Und das mitten in Bulgarien! Und ob wir Till Lindemann denn persönlich kennen würden? Bei solcher Art Unterhaltung vergeht die Zeit ruckzuck, Dimitrys steht mit dem Auto bereit, um uns in Richtung Plovdiv zu chauffieren. Auf dem Rücksitz Dimitrys Mutter, die zum Flugzeug Richtung Heimat gesetzt werden muss. Auf dem Fahrersitz noch ein paar Tipps: auf den höchsten Punkt Plovdivs steigen und das Lichtermeer bewundern. Und auf dem Rückweg kein gelbes, sondern ein grünes Taxi nehmen, denn diese sind neuer, bequemer und technisch besser in Schuss. So entlässt er uns denn mit gutem Gewissen in Europas Kultur-Hauptstadt 2019 mit seiner bis ins römische Reich zurückreichende Geschichte, seinen Amphitheatern, steilen Kopfsteinpflastergässchen und engen Sträßchen voller Bars und Restaurant. Und später am Abend sind wir so müde, dass wir statt einem grünen ein gelbes Taxi nehmen (einfach, weil es gerade am Straßenrand stand) und trotzdem wohlbehalten wieder zurückkommen!
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