
Was bei keiner Mahlzeit fehlt: eine Katze! Seit ungefähr Mostar sind wir nicht mehr ohne Essens-Begleitung. Sei es die weiße Mostar-Katze, die versuchte, das Müsli vom Tisch zu angeln oder die schwarze Ohrid-See-Katze, der jeder Trick recht war, um auch durch die kleinste Ritze in den Camper zu gelangen. In Plovdiv leistet uns ein sehr junges und sehr verspieltes rot-weißes Exemplar Gesellschaft und fängt alles, was sich bewegt: Fliegen, Zehen, geworfene Steinchen. Zur besten Unterhaltung serviert Dimitrys Frau Kaffee mit Baileys (am frühen Morgen – das wird ein lustiger Tag!): „little bit Baileys“ und hält Daumen und Zeigefinger etwa einen Zentimeter weit auseinander. Drin waren mindestens drei Zentimeter, aber so gestaltete sich das Einräumen wenigstens schwungvoll. Unser heutiges Ziel sind die Chuditne Mostove, die Wunderbrücken oder Felsenbrücken im Karsttal des Flusses Erkyupriya in den Westrhodopen. Schon wieder eine Fahrt, bei der man sich kaum traut, ein Auge zuzumachen… Wir verlassen Plovdiv und stellen fest: hier wird Wein geerntet. Überall an den Straßenrändern Plätze, an denen frisch geerntete Trauben in Kistenstapeln gesammelt werden. Und die oft gesehenen Hinweisschilder für Pferdefuhrwerke machen tatsächlich Sinn, denn immer wieder können wir solche Gefährte beobachten: mit Trauben, mit Schrott, mit Plastiksäcken unklarer Füllung. Und einmal sogar einen Eselskarren mit altem Männlein drauf. Auch hier erneut zu sehen der gewaltige Unterschied zwischen sehr prächtigen Gebäuden und unverputzt gemauerten Häuschen. Und immer wieder zwischen den Ortschaften gigantische leer stehende und langsam verfallende Fabrik-Komplexe. Wir durchqueren Asenovgrad mit seinen Kirchen und Klöstern und entdecken seine Burgruine hoch über der Stadt auf einem Berggipfel. Kurz nach Verlassen der Stadt wird die Straße schmaler und steiler und neben uns türmen sich senkrechte, zerklüftete Felswände, wie rötliche Kristalle. Unter uns plätschert die Erkyupriya. „Wunderbrücken“ lesen wir und biegen nach rechts ab. Noch höher geht´s und die Straße wird schmaler und vor allem immer löchriger. Kurz müssen wir an Stravko denken und welch müdes Gähnen ihm diese Strecke entlocken würde. Links, rechts, ausweichen und rumms! Nach einer halben Stunde haben wir das Ziel erreicht.

Gleich am Parkplatz ein altes Weiblein, das Selbstgemachtes an einem Holzbüdchen anbietet. Jürgen kommt nicht an den eingelegten Peperoni vorbei, ich gönne mir ein Glas Walderdbeer-Kompott. Nun aber los! Steil geht´s den Berg hinunter und plötzlich stehen wir vor einer Fels-Kulisse, wie wir sie tatsächlich noch nie gesehen haben! Ein gigantisches Tor gähnt in einer Felswand, dahinter, wie in einem runden Bilderrahmen, der Wald! Wie Ameisen kommen wir uns vor, als wir in diesem gewaltigen Rund stehen und uns überlegen, wie dieses wohl entstanden sein könnte. Ohne zu googeln finden wir die Antwort selbst: aus einem schmalen, vom Fluss gegrabenen Schlitz im Fels müssen im Laufe der Jahre immer wieder Platten abgebrochen sein, vermutlich vor allem im Winter von eingeflossenem und gefrorenen Wasser abgesprengt. Solche riesigen Platten liegen hier überall herum und an den hohen Wänden sind sogar Stellen auszumachen, an denen das Gestein sich ablöst und vermutlich ebenfalls in den nächsten Jahren abbrechen wird. Besonders erstaunlich finden wir die Tatsache, welch einen perfekten Bogen die Natur hier gebildet hat.

Zurück am Parkplatz ein bekümmertes Weiblein: das Auto springt nicht an! Wir nehmen sie den kompletten Rumpelpistenweg mit hinunter und dann noch einmal zwei Kilometer in die Berge hinauf zu ihrem Heimatort. Während der ganzen langen Fahrt haben wir Gelegenheit zu beobachten, wie der Fortschritt auch vor Menschen nicht Halt macht, die wie alte Kräuterweiblein aussehen: bestens mit Handy ausgestattet wird hitzig hin und her telefoniert und vermutlich die Familie zur Rettung ihres Autos instruiert. Das Bergdörflein, in dem wir sie absetzen wirkt wie aus einer anderen Zeit. Uralte Steinhäuschen rechts und links des Sträßchens, Bauerngärtchen hinter krummen Gartenzäunen, windschiefe Holzschuppen und auf den Bänkchen vor den Häusern alte Leutchen, die Gemüse sortieren und uns hinterherschauen. Und unser Kräuterweiblein grüßt beileibe nicht jeden! Am Straßenrand zwei jahrzehntealte LKWs. Bei uns wären sie liebevoll restaurierte Oldtimer, hier sind sie ganz offensichtlich noch im Einsatz. Und am Dorfrand ein Verbotsschild: „Keine Anhänger!“ und dahinter geparkt: ein riesiger Anhänger! Unser heutiger Campingplatz liegt übrigens nur noch dreißig Kilometer von der türkischen Grenze entfernt und als einzige Gesellschaft gibt´s Hühner und Ziegen hinterm Zaun (in der Dunkelheit nicht zu sehen, aber zu riechen), die obligatorischen Katzen, ein klitzekleiner Gecko und ab und zu rauscht ein Zug vorbei und einmal sogar eine klassische Diesellok in ähnlichem Alter wie wir beiden Osteuropa-Tourer!
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