DREIZEHN UNTERWEGS
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Auszeit 2019  ·  09. Oktober 2019

Die Karawane zieht weiter

Aufwachen vom Donnern der Meeresbrandung - kann´s was Schöneres geben? Ja, bei Regen eingeschlafen zu sein und bei strahlendem Sonnenaufgang die Camper-Tür zu öffnen – rosa Wolken inklusive. Was macht´s da, dass die Duschen eiskalt sind? Auch die Kühe leisten uns beim Frühstück Gesellschaft und die Zahl der treu (und hungrig) blickenden Hunde ist inzwischen auf drei angewachsen. Unser Plan sieht vor, die Schwarzmeerküste in wenigen Etappen hinter uns zu lassen, damit wir die „beste Reisezeit für Georgien“ (das soll wohl der Oktober sein) dort noch ausnutzen können. Die Schwarzmeerküste und die Adria werden wir dann im November entspannt zurück tingeln. Trotzdem möchten wir nicht nur im Auto sitzen und haben darum einige hübsche Zwischenziele ausgeguckt. Das heutige heißt Safranbolu, liegt etwas von der Küste zurückgesetzt im Innenland und oberhalb von Ankara. 

Etwa viereinhalb Fahrtstunden liegen also vor uns, trotzdem bald schon der erste Stopp: die Maut-Plakette! In einem Küstenörtchen ist sie zu haben, wenn die Systeme wieder laufen! Tun sie, darum können wir, ausgerüstet mit der Plakette und den obligatorischen Börek und Baklava für unterwegs weiterreisen (wenn wir zurück sind, sind wir kugelrund!). Unser neuer Campingplatz in Safranbolu liegt direkt neben der historischen Altstadt, was bedeutet, dass ein Wecker morgen früh überflüssig sein wird, denn die Muezzine auf den verschiedenen Minaretten gehen ihrer Arbeit hier wirklich sehr engagiert nach. Auf keinem der Türme haben wir übrigens bisher einen Menschen stehen sehen, der Gesang wird ausnahmslos über dort aufgehängte Lautsprecher übertragen. An den ganz kleinen Moscheen sind die Türme meist auch entsprechend klein und schmal und darum vermutlich nicht einmal begehbar. Was ist das Besondere an Safranbolu? Einst befand sich an ihrem Platz am westlichen Rand des Pontischen Gebirges nur eine Schlucht, von zwei kleinen Flüssen gebildet. Diese Schlucht aber lag direkt auf der Seidenstraße und bot den Karawanen Schutz, Wasser und frisches Grün – einen idealen Rastplatz also auf ihrer weiten Reise von Persien nach Konstantinopel (dem heutigen Istanbul). Um diesen Rastplatz entstand eine Stadt, die heute Safranbolu heißt und seit 1994 Welterbe der Unesco ist. Um es gleich mal vorrauszuschicken: meine Liste an Lieblingsplätzen ist seit heute um einen Ort reicher! Ein Besuch in Safranbolu ist wie Eintauchen in 1001 Nacht! Wir wandern durch schmale, kopfsteingepflasterte Gässchen gesäumt von den für hier typischen Konaklar, Häusern mit Steinsockel und Fachwerk. In den Lädchen im Erdgeschoss gibt es (sehr erfreulich!) kaum Touri-Schickschnack, dafür viel Handgemachtes: Schmuck, Töpferwaren, Seifen und Gewürze (Safran ist bei beidem der Renner!), Obst und Gemüse und – Süßkram der Extraklasse! Neben den üblichen Baklava alle möglichen Leckereien aus Gelee, mit Kokos, mit Sesam und Helva! Man weiß gar nicht, was man zuerst kaufen soll! Ich darf probieren (Jürgen muss auch!) und ruckzuck sind wir mit Tüten ausgerüstet! Zum Glück finden wir auch noch eine Gasse nach Jürgens Geschmack: die Gasse der Schmiede. Hier werden in (nahezu) traditionellen Schmieden echte Gebrauchsgegenstände hergestellt: Äxte, Schaufeln, Rechen gibt´s zu bestaunen. In eine Werkstatt werden wir hineingewunken und der Meister zeigt, was er so herstellt: im Prinzip alles, was eine Tür so braucht, um zu funktionieren und zwar in allen Größen. Schlösser, Beschläge, Scharniere, Türangeln… mit etwas Englisch und Händen, Füßen und Anschauungsmaterial erzählt der Meister, dass er auch an der Restaurierung der alten Gebäude beteiligt ist und alles originalgetreu nachempfunden wird. Währenddessen hat der Gehilfe im Hintergrund gleich mehrere Eisen im Feuer: stapelweise Türscharniere werden auf dem Amboss in Form gehämmert. Die Gasse der Schmiede verlassen wir übrigens mit einem neuen Tütchen: Jürgen hat eine weiteres, handgeschmiedetes Kaffeekännchen erstanden. Der Verkäufer führte deren Stabilität sehr überzeugend vor: am Henkel gepackt, einmal kurz und heftig aufknallen lassen – tadaa! Immer noch ganz. Als Dreingabe gab´s ein kupfernes Kaffee-Schäufelchen. Wir befinden uns spürbar auf dem Basar! Und dann die ehemalige Karawanserei! Heute ist sie zwar ein Hotel, betritt man jedoch durch ein großes Tor den Innenhof sieht man förmlich die Kamele rund um den Brunnen lagern, die Händler und ihre Waren unter den hohen Steinbögen. Wir steigen die Treppe hinauf, einmal rund um den offene Gang mit Blick auf den Innenhof und hinauf auf´s Dach! Von hier ein weiter Blick über die runden Kuppeln der Moscheen und des Hamams, die spitzen Dächer und die mit Weinlaub überspannten Gassen. Das Flüsschen, das die Schlucht bildet, kann übrigens nur noch in der Schmiedegasse bestaunt werden, wo es unter der Moschee herausströmt. Ansonsten ist es völlig überbaut worden. Wieder unten im Innenhof nehmen wir auf den bunten Kissen und Schemelchen rund um den Brunnen Platz und trinken türkischen Kaffee, Tee und Granatapfelsaft und beschließen, im November hier noch einmal Halt zu machen, einzig, um hier in einem der Zimmer übernachten zu können. 1001 Nacht für die Bietigheimer! 

Anfang des letzten Jahrhunderts stand Safranbolu übrigens kurz vor dem Aussterben: im Vorort Karabük entstand das erste Stahlwerk der Türkei, durch den Ausbau der Eisenbahn konnte Kohle herbeigeschafft werden, um dieses zu heizen, die Eisenhütten in Karabük rauchten. Es entstanden Neubauten mit Licht, Wasserleitungen und Zentralheizung. Wer wollte in Safranbolu also noch selbst Holz und Wasser schleppen? Die Menschen zogen in die komfortablere Vorstadt, die Häuser in der Altstadt standen leer und verfielen. Am Leben gehalten wurde das Ganze einzig von Handwerkern aus den Dörfern außerhalb. Manche von ihnen waren engagiert worden, um auf die Häuser aufzupassen, einige davon zogen irgendwann ganz dort ein und brachten ihr Können mit. Was sie nicht mitbringen konnten, war Geld und erst in den 70er Jahren begannen Forscher und Politiker, auf das charmante Städtchen aufmerksam zu werden und es wiederzubeleben. Und wie wir heute gesehen haben: mit Erfolg! Die ehemalige Vorstadt Karabük ist heute übrigens eine 120.000-Einwohner-Stadt und das Stahlwerk raucht noch immer im unveränderten Retro-Style von 1937!

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