
Wie kommt man auf den Hund? In Georgien ganz einfach: Rucksack aufsetzen und mit der Absicht, Ushgulis Hausberg Guri zu besteigen aus der Tür treten. Dann auf eine Hundegang zu treffen, die gerade dabei ist, einen fetten Eber durch´s Dorf zu jagen. Herrlich, wie Schweine galoppieren können und es außer uns keinen interessiert. Die Hundemeute anschließend: auf der Suche nach neuer Herausforderung und froh, zwei deutsche Wanderer am Wegesrand zu entdecken. Sie stellen sich vor: zwei agile Füchslein, ein alter Bernhardiner mit treuen, blutunterlaufenen Augen und ein schwarz-weißer Wischmopp. Es ist allen schnell klar, wo´s hingeht: auf den knapp 3.000 Meter hohen Gipfel gibt´s nur einen Weg, also los! Für diesen Tag sind wir ein Rudel! Ganz vorne: Jürgen und die flotten Füchse mit der Nase in jedem Mauseloch (nein, Jürgen nicht!), die Nachhut: Laila, der Wischmopp und der Bernhardiner, die Nase zur Orientierung immer am Hintern des Wischmopps – so geht keiner verloren und nach zwei Stunden und über 800 Höhenmetern stehen alle auf dem Gipfel. Das ganze Rudel befindet sich nun auf einem hohen Plateau hoch über Ushguli umgeben von einem gewaltigen Kreis weißer Gipfel, einige davon über 5.000 Meter hoch und ein paar davon nicht mehr auf georgischem, sondern auf russischem Boden stehend. Einer der Füchse hat für diesen Anblick nichts übrig, sondern gräbt seine spitze Schnauze in jedes Mauseloch am Hang. Leider verpasst er so auch das gemeinsame Picknick. Lang dauert´s nicht und die Gefährten liegen rechtschaffen müde in der Sonne, über sich nur den blauen Himmel und die Wolken und seufzen zufrieden – nur einer nicht: der ist immer noch hinter sämtlichen Spitzmauspopulationen her. Als die Sonne eine Stunde weiter gewandert ist, geht´s bergabwärts. Alle, außer einer: der gräbt immer noch Georgien um!

Was gab´s noch in Ushguli? Unsere Zimmerwirtin zum Beispiel, die uns heute beim Frühstück einiges über das Leben in einem solch abgeschiedenen Bergdorf wie Ushguli berichtet. Dass es eine Schule gibt mit knapp 50 Schülern, 11 Klassenstufen (aber nicht jede besetzt) und 25 Lehrern (allerdings zur Zeit keinen für Englisch und Mathematik). Dass das Brennholz hier oben über der Baumgrenze teuer ist und aus dem Tal heraufgeschafft und gekauft werden muss. Darum wird auch nur bei sehr strenger Kälte der Ofen angeworfen (kein Ort für Weicheier). Im Winter werden die meisten Räume im Haus abgeschlossen und die Familie lebt in Küche plus winzigem Vorraum. Der Winter dauert bis zu sieben Monate und unsere Wirtin schätzt ihn nicht besonders. Und schlussendlich ist die medizinische Versorgung sehr einfach. Der ortsansässige Mediziner „have nothing and know nothing“. Schwangere ziehen oft schon einen Monat vor Geburtstermin nach Mestia und in Notfällen fahren sich Privatauto und Krankenwagen entgegen und treffen sich zur Patientenübergabe auf halber Strecke auf der Bergstraße (wir stellen uns nochmal kurz deren Zustand vor). In äußersten Notfällen (wie dem Sturz eines älteren Dorfbewohners von einem Hausdach vor einiger Zeit) kommt auch der Helikopter. Außerdem war da die Touristin, die sich am Vorabend nach einem Abendessen im Restaurant wieder auf den Rückweg zum Gästehaus machen wollte. Leider bei inzwischen stockdunkler Nacht und ohne Licht – keine Straßenlaternen: man sieht die Hand vor Augen nicht und das Dorf ist extrem verwinkelt, steil, die Wege voller Steine, Schlammpfützen und Kuhfladen. Zitat der Frau: „I was COMPLTELY lost!!! It was a NIGHTMARE!“ Ganz zum Schluss (wir warten auf der Terrasse des Gästehauses auf unser Taxi nach Mestia) schneit die Dorfjugend vorbei. Drei Jungs zwischen etwa sechs und zehn auf einem Pferd, binden Ihr Reittier in Cowboy-Manier am Zaun fest und stürmen den kleinen Laden. Statt der Colts knallen gleich darauf die Chipstüten und Limoflaschen. Anschließend flink über die Mauer in den Sattel gestiegen (Beine noch zu kurz für einen coolen Aufschwung), zu dritt wieder Platz genommen und Chips mampfend in den Sonnenuntergang geritten.

Das war also Ushguli! Wir kommen wieder! Gemeinsam mit zwei Israelis (was auch sonst?) im Mitsubishi-Offroader wieder zu Tal. Wir sind hungrig und holen unseren vor Tagen geschmiedeten Plan nach: essen im Restaurant Laila, dem besten Lokal am Platz und benannt nach dem charakteristischen 4.000er im Mestia-Tal (und nicht nach mir). Georgische Live-Musik mit traditionellem Tanz (die Gäste müssen mitmachen – wir auch!) und die Laila-Platte sorgen für einen schönen Abschluss in Mestia. Morgen geht´s weiter!
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