
Man kann eigentlich nicht sagen, dass wir den eher nicht geplanten, aber um mindestens 300% verlängerten Aufenthalt im Örtchen Oni im Ratscha-Gebiet nicht in vollen Zügen ausgekostet haben. Und obwohl es heute regnet und uns der Abschied darum leichter fallen sollte, tut er´s nicht. Wir frühstücken nochmal lang, gemütlich und georgisch traditionell und quatschen einige Takte mit dem polnischen Pärchen. Sie sind sportlich veranlagt, hatten in ihrer polnischen Kindheit allerdings nicht die Gelegenheit, schwimmen zu lernen und belegen in Danzig zur Zeit deswegen einen Kurs (sie macht´s wohl besser, wie er vor sich hin brummelt). Aber schon sind sie am Kajakfahren interessiert und wollen Infos zum Wie und Wo. Zwischendurch verabschiedet sich die Neuseeländerin und lässt uns gleich ihre Adresse da, falls wir mal zufällig in Neuseeland sein sollten. Kaum ist sie weg, schleppt Nika vier Plastikflaschen vom hauseigenen Tschtscha herbei: es soll eine Entschuldigung sein, meint er. Wir haben wohl Fragezeichen in den Augen, darum erklärt er schnell: für den Lärm im Aufenthaltsraum vom Vorabend. Der berühmte georgische Regisseur Nikoloz Khomasuridze war bei der Familie zu Gast gewesen, um in größerer Runde seinen aktuellen Film („Ekvtime – Man of God“) vorzuführen – direkt unter unserem Schlafzimmer. Für uns kein Drama, den Schnaps nehmen wir trotzdem mit Dank entgegen. Trotz aller Rumtrödelei, irgendwann sind wir abfahrbereit, aber … Ihr wisst´s ja noch: dem Hausherrn entkommt man nicht so leicht, zumindest nicht ohne vorher nochmal „Exercise“ durchzuführen. Zum guten Schluss also nochmal eine Runde Yoga. Bestimmt nicht das Schlechteste vor einer fünfstündigen Fahrt. Wohn es geht? Tbilisi steht auf dem Plan. Nach endlos schönen Tagen in wilder, einsamer und absolut grandioser Natur also Großstadt-Feeling in der Hauptstadt.

Runter von den herbstlichen Hügeln in die sanften Ebenen des Mtkvari-Flusses mit seinen uralten Festungen. Tbilisi heißt übrigens „warme Quelle“ und solche gibt es hier tatsächlich auch: an den Nordosthängen des Mtabori sprudelt bis zu 46 Grad heißes, kohlesäurehaltiges Schwefel-Quellwasser aus der Erde, das seit Jahrhunderten in Badehäusern genutzt wird. Die Überlieferung berichtet, dass König Wachtang I. Gorgassali in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts einen Fasan erlegte. Das Tier fiel in eine heiße Quelle und wurde im sprudelnden Wasser sofort gargekocht. Daraufhin ließ er die Umgebung genau erforschen und als er erfuhr, dass es dort viele heiße Quellen gab, gründete er an diesem Ort die Stadt Tbilisi, die inzwischen zu einer 1,1- Millionen-Einwohner-Stadt angewachsen ist. Uns empfängt sie erstmal mit grandiosem Verkehrschaos, drei markierte Fahrspuren gibt´s fünf bis sechs Spuren werden spontan gebildet. Der Fahrstil ist hier aggressiver als das zwar schnelle und sehr direkte, aber faire Miteinander der ländlicheren Regionen. Jürgen steht der Schweiß auf der Stirn, noch mehr, als das Google-Navi uns mal wieder von der Hauptroute nimmt und in engste Gässchen hangaufwärts schickt. Links und rechts kaum eine Handbreit Platz, alles zugeparkt, Leute und Hunde quetschen sich zwischen den Fahrzeugen durch und es wird immer steiler. Über uns ein Spinnennetz aus Stromkabeln, wahlweise Drähte, die mit Weinlaub bewachsen sind. Passen die Boote drunter durch oder ziehen wir gleich alles als Schleppe hinter uns her? Glück gehabt, es geht steil bergab und – voila – befinden wir uns zurück auf der Hauptstraße, von wo aus wir abgebogen sind. Okay, Google bekommt eine neue Chance und wieder geht´s nach oben, diesmal etwas entspannter und dann haben wir´s geschafft! Hoch über Tbilisi steht unser gebuchtes Hotel mit grandiosem Blick über die Altstadt. Wir checken schnell ein und sind froh, dass von hier aus alles ohne Auto erledigt werden kann…
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