
Kann sich eigentlich noch jemand an den Arbeitstitel unserer Reise erinnern? Wenn nicht, helfe ich mal kurz auf die Sprünge: „Tölz – Tbilisi“, so hatten wir uns das gedacht. Tja, was soll ich sagen: hier sind wir nun, nach 59 Tagen on tour und mehr als 7000 Kilometern on the road. Was ist los in Georgiens Hauptstadt? Wir wollen´s rausfinden und entscheiden uns dafür, uns erstmal ein bisschen herumführen und uns die Stadt erklären zu lassen. Hier, wie in manch anderen größeren Städten auch, kann man sich nicht nur den „offiziellen“ Touristenführungen anschließen, sondern alternativ eine sogenannte „Free Hack Tour“ mitmachen. Die Idee dahinter ist, dass Leute, die in Tbilisi leben die Reisenden mit in ihre Heimatstadt nehmen und auf individuelle Art und Weise die Stadtgeschichte vermitteln. Kostet nix, aber natürlich darf man, wenn´s Spaß gemacht hat, geben, was man möchte: „hugs, cuddles, kisses or money“. So sagt zumindest Ian, unser Reiseleiter. Aber Geld müsse er ohnehin bei seiner Frau abliefern. Bevor wir (und noch ein paar andere Neugierige) losmarschieren hat er gleich ein paar praktische Tipps auf Lager: der Verkehr ist in Tbilisi eine Herausforderung. Der sonst so freundliche Georgier wird motorisiert zum Tier. Allzu zögerlich dürfe man als Fußgänger aber nicht sein, wenn man vorankommen möchte. Also: Arm ausstrecken, Blickkontakt aufnehmen und Straße überqueren. Der Trick funktioniert, Jürgen und ich wissen es schon.

Aber nun geht´s wirklich los und tatsächlich sind wir die nächsten drei Stunden bestens unterhalten. Zur Legende (der mit dem Fasan) gibt´s heute noch die historische Variante zur Entstehung der Hauptstadt und die klingt durchaus plausibel. Der Talkessel, in dem Tbilisi entstand war durch die geschützte Lage und die Hügel, von denen aus das Umland gut beobachtet werden konnte einfach ein gut zu überwachender und verteidigbarer Ort. Schließlich führte die Seidenstraße durch diese Region und brachte neben Waren, Ideen und neuen Erkenntnissen natürlich auch Halunken mit sich. Trotzdem wurde Tbilisi seit seiner Entstehung mehr als vierzig Mal bei Angriffen zum Teil fast vollständig zerstört und anschließend wieder aufgebaut. Das ist auch der Grund, warum es sich hier zwar um eine sehr alte Stadt handelt, es aber keine Gebäude gibt, die älter als 200 Jahre sind. Wir sehen auf unserem Rundgang von allem etwas. Alte Kirchen, die einzige Moschee der Stadt, die futuristische Friedensbrücke, die Überreste der Narikala-Festung hoch über der Stadt, eine Bäckerei (es darf probiert werden), die nach traditioneller Art in einem gemauerten Ofen Brot backt, die schmalen Gassen der Altstadt, eine Tamada-Statue, die Glück, Reichtum und Schönheit bringt, wenn man sie an den richtigen Stellen reibt (hab mal alles genommen), eine gemauerte Unterführung, die zu einem Basar umgebaut wurde und die Kuppeln im Bäderviertel Abanotubani. Unter diesen Kuppeln liegen die berühmten Schwefelbäder, die der Stadt ihren Namen gaben („warme Quelle“). In früheren Zeiten verlief übrigens eine Stadtmauer um den Ort. Heute ist sie nicht mehr vorhanden, aber in den Boden eingelassene Markierungen zeigen ihren Verlauf. Die Bäder lagen außerhalb jener Mauer und jeder Reisende musste sich vor Betreten der Stadt in den Bädern gründlich säubern, um das Einschleppen von Krankheiten und Ungeziefer zu verhindern. Noch eine nette Geschichte zu den Bädern: Männer und Frauen besuchten sie separat. Die Männer nutzten den Ort um zu diskutieren, zu philosophieren und mit einem Glas Wein im warmen Wasser zu liegen. Frauen durften nur einmal pro Woche ins Bad und hatten dabei auch noch die Wäsche mitzunehmen.

Nach jeder Menge unterhaltsamem und informativen Input und einigen Tipps für unseren weiteren Besuch (anstatt „kiss“ gibt´s für Ian doch lieber Trinkgeld) machen wir uns nochmal alleine auf die Socken und landen am Ende des Tages mal wieder bei den berühmten Khinkali (Ihr wisst ja noch: die georgischen Mauldäschle), auf die die Georgier mächtig stolz sind. Ian hatte seine Zuhörer unterwegs noch mit einer kleinen Anleitung zum fachgerechten Verzehr der Spezialität versehen und nachdem wir uns in Kutaisi noch blamiert hatten, indem wir die Khinkali mit Messer und Gabel bearbeiteten, machen wir hier alles richtig. Khinkali am „Griff“ packen, vorsichtig Loch reinbeißen, Flüssigkeit rausschlürfen, dann erst den Rest essen. Wer das schafft, ohne den Teller vollzukleckern, soll übrigens ein guter Küsser sein. Wir schweigen an dieser Stelle über das Ergebnis unserer Bemühungen, die Kellnerin ist allerdings zufrieden mit den deutschen Gästen und hat noch einen Zusatztipp auf Lager: wenn man den „Griff“ am Khinkali pfeffert ist er nicht mehr so glitschig und kann besser festgehalten werden. Die Schwaben sind auf dem besten Weg, auch im Bereich „nichtschwäbische Maultaschen“ zu Profis zu werden...
Kommentar schreiben