
Und noch mal Tbilisi! Diese Stadt macht wirklich Spaß! Auf Schritt und Tritt gibt´s was zu entdecken und die Kontraste sind immens! Wir laufen uns heute beinahe die Füße wund, um möglichst viel davon zu sehen. Erstmal besteigen wir den über der Stadt aufragenden Hausberg Mtazminda. Die Sicht nach unten könnte an diesem bewökten Tag zwar besser sein, aber beim Runterschauen bekommt man trotzdem einen guten Eindruck der Größe der Stadt, die sich im ganzen Talkessel ausbreitet und sich in alle Richtungen die Hügel hinaufzieht. Über uns ein etwas abgerockter Freizeitpark, dessen sich nicht mehr in Betrieb befindliches Riesenrad wie ein Wahrzeichen über Tbilisi thront. Runter geht´s wieder mit der Zahnradbahn. Wir besichtigen das prächtige Opernhaus. Auch dieses, wie so viele andere Gebäude in seiner Geschichte mehrfach zerstört oder abgebrannt, der aktuelle, originalgetreue Bau ist tatsächlich aber erst knapp vierzig Jahre alt. Neben diesem Prachtbau lockt ein völlig heruntergekommenes , unverputztes Gebäude mit knalliger Leuchtschrift: Hotel Opera!

Hier wollen wir nicht einchecken und drehen lieber eine Runde über den Flohmarkt am Mtkvari. Hauptsächlich zu sehen gibt´s Filzarbeiten, Künstler mit ihren Gemälden (manches gar nicht schlecht, aber … mal wieder kein Platz im Camper) und Trödel! Vom Grammophon über altes Kupfergeschirr bis zu Büro-Equipment aus den letzten dreißig Jahren (Telefone, PCs…) ist alles dabei. Und lieber nicht zu lange schauen, sonst ist man ruckzuck im Besitz eines alten Wandtellers. Auf der anderen Seite des Flusses steigen wir wieder nach oben, passieren das Parlament und stoßen direkt daneben auf Gässchen, die von einem oder mehreren der immer wieder vorkommenden Erdbeben (das letzte war 2018) schwere Schäden davongetragen haben. Die kleinen Häuschen neigen sich gefährlich zur Mitte des Weges, einige davon sind mit Pfosten gegeneinander abgestützt. Trotzdem sind sie zum Teil noch bewohnt – man mag es nicht glauben. Gleich darüber erstreckt sich das Gelände der Zminda-Sameba-Kathedrale, der größten im ganzen Kaukasus. Auch diese sehr neu, 2004 wurde sie fertiggestellt. Wieder den Berg hinab gibt´s dann aber auch wieder altes Gemäuer zu bestaunen, daneben eine riesige Statue des Stadtgründers Wachtang. Wir brauchen kurz Pause und setzen uns in eins der Cafes, die wie Schwalbennester in der linken Felswand über dem Mtkvari kleben. Anschließend geht´s weiter in die zwar schon bekannte Altstadt, die für mich aber zu den schönsten Plätzen in Tbilisi gehört! Eine bunte Mischung aus kleinen Lädchen (Schmuck, Schnickschnack, Spezialitäten, Wein…), wirklich netten Lokalen, Straßenhändlern, Straßenmusik, bunte alte Häuschen, steile Kopfsteinpflasterstraßen, Lichtern und Lärm, Skulpturen, Hunden, Kirchen und anderen historischen Bauwerken in allen Größen. Ich könnte ewig rumspazieren. Jürgen aber hat genug und Hunger. Wir folgen also einem Tipp unseres gestrigen Fremdenführers und dort gibt´s heute (Überraschung!): Khinkali! Allerdings mit anderer Füllung. Pilze, Kartoffeln und Käse wird bestellt. Wer weiß, wie oft wir noch Gelegenheit haben, sie zu essen. Die Einwohner lieben ihre Khinkali übrigens so sehr, dass man sie nicht nur in den meisten Restaurants bekommt, sondern auch (denn Touristen kaufen alles) alle möglichen anderen Gegenstände in Khinkali-Form kaufen kann: Salzstreuer, Seife, Socken… Wir halten uns an die essbare Variante.

Anschließend begeben wir uns ins Bäderviertel Abanotubani Gestern haben wir die charakteristischen, 200 bis 300 Jahre alten Kuppeln von außen bewundert, heute beschäftigen wir uns mit ihrem Innenleben. Damit´s auch wirklich klappt, haben wir in einem davon reserviert. Wir werden also in „unser“ Bad geführt: dort gibt´s ein rundes Becken mit über vierzig Grad heißem Schwefelwasser, ein kleines Becken zum Abkühlen und eine Sauna nebst Ruheraum. Für die nächsten beiden Stunden gehört alles uns! Und damit wir auch wirklich alles erlebt haben, was so ein georgischer Bäderbesuch so bietet, buchen wir noch schnell das Peeling mit Waschung dazu. In mancherlei Hinsicht wurden wir schon vorgewarnt und investieren ein paar Lari in einen neuen Massagehandschuh. Die Alternative wäre der „Public Glove“ gewesen, der laut einer Besucherin wirklich ALLES gesehen hat! Mit europäischer Wellness hat das Ganze nicht sehr viel zu tun, aber als Erlebnis hat es viel für sich. Man bekommt einen geschlechtsgleichen Masseur zugeteilt und dann geht´s los! Mit dem Handschuh wird gepeelt, dass die Haut glüht. Mit einem Laken wird Schaum geschlagen und verteilt, dann gibt´s eine durchaus angenehme Massage und zum guten Schluss – SCHWAPP – wird Schwefelwasser in rauen Mengen über einem ausgeleert! Immerhin – sauber fühlt man sich danach. Und da so eine Behandlung nicht sehr lange dauert, haben wir hinterher noch genügend Zeit, uns im heißen Schwefelwasser zu erholen! Als wir das Bad verlassen, gibt´s noch mehr Wasser: es regnet. Und diese Tatsache multipliziert das Verkehrschaos (zumindest in der Altstadt). Die extrem steilen Kopfsteinpflasterstraßen werden bei Nässe immens rutschig, was die Autofahrer nicht daran hindert, sie zu benutzen. Der erste kommt mit Schwung und Glück noch einigermaßen hoch, der zweite war nicht schnell genug und bleibt auf halber Strecke am Hang stehen, was Nummer drei und vier nicht daran hindert, mit durchdrehenden Reifen hinterher zu fahren. Nummer zwei fährt rückwärts für neuen Schwung, die anderen beiden hupen wie verrückt, aber bleiben stur stehen. Von oben kommt Nummer fünf… nichts geht mehr! Doch: wir gehen. Rechtschaffen müde ins Bett…
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