DREIZEHN UNTERWEGS
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Auszeit 2019  ·  11. November 2019

Jürgen in der großen Stadt!

Zwei weitere Tage Istanbul! Wo fängt man an, wenn die Köpfe und Herzen voller neuer Eindrücke sind? Mit den Menschenmassen, die (genau wie wir) die unfassbar quirlige Stadt zwischen dem Orient und dem Westen erleben wollen? Und dass das Klischee des fotowütigen Asiaten in keinster Weise erfunden ist. Es ist schlichtweg unmöglich, KEIN Fotobomber zu sein – wir geben auf und bewegen uns, wo und wie wir Lust haben. Jürgen hat wahrscheinlich inzwischen eine Großstadt- und Menschenmassenphobie entwickelt, oder? „Ich finde, dass ich mich ganz gut geschlagen habe. Als es mir einmal doch zu viel wurde, haben wir ja auch einen ruhigen Platz gefunden, wo man sich wieder entspannen konnte. Ich bin schon ein bisschen stolz auf mich!“ Das darfst Du auch sein! Den „ruhigen Platz“ fanden wir übrigens gleich am ersten Mittag, denn Jürgen hatte Hunger. Am Straßenrand ein Restaurant namens „The Han“. Gleich am Eingang wurden auf einer riesigen, gasbeheizten Metallplatte frische Hefepfannkuchen mit Füllung nach Wahl produziert. Drinnen alles orientalisch-gemütlich. Bunte Kissen, niedrige Tische, Trauben von farbigen Lämpchen an der Decke – schon allein das Ambiente war unschlagbar. Um es vorweg zu nehmen: die Atmosphäre war so toll und das Essen so lecker, dass wir keine Lust mehr auf Experimente hatten und das Lokal zu unserer Stammkneipe kürten. Die Kellner grinsten schon bei unserem zweiten Besuch, ab dem dritten gehörten wir zum Inventar. Besonders hervorzuheben ist hier der „Testi Kebap“, ein Gericht, das in einer kleinen, mit Hefeteig verschlossenen Ton-Amphore bei nahezu 400 Grad geschmort und anschließend auf einem brennenden Tablett serviert wird. Die eigentliche Challenge folgt am Tisch, wenn der jeweilige Kellner kunstvoll und rhythmisch mit zwei Löffeln auf den oberen Rand des Gefäßes trommelt, bis sich dieser vom unteren Teil löst. Innen befindet sich butterweich geschmortes Fleisch mit Gemüse. Das Ganze ist absolut empfehlenswert mit einer kleinen Einschränkung: befindet sich zeitgleich eine asiatische Reisegruppe mit im Restaurant, ist man ruckzuck von einer größeren Meute handyschwingender, begeisterter Menschen umzingelt – so spielte es sich zumindest am Nebentisch ab. Ich probierte derweil eine weitere Spezialität: Salep, eine warme Mischung aus Milch, gemahlenem Knabenkrautpulver und Zimt. Ein türkisches Wintergetränk und bei 25 Grad vielleicht nicht nötig. Klingt möglicherweise auch etwas gewöhnungsbedürftig, schmeckt aber sehr gut – ein bisschen wie dünner Grießbrei. Der Tipp kam übrigens schon Wochen vorher von jemandem, der sich auskennt: Danke, Yasemin! Wer bis hierher aufmerksam gelesen hat, hat sicher schon gemerkt: einen Pluspunkt hat Jürgen (der Großstadt-Vermeider) an Istanbul schon vergeben: das Essen. Denn essen kann man an jeder Ecke. Sei es in einem der zahllosen Restaurants oder Cafes, sei es, einfach auf die Hand an einem der vielen Essens-Stände oder auf den Märkten. Was wir dabei noch lernen: freundlich und stoisch auf all die Restaurant-Angestellten zu reagieren, die zum Abfischen von Touristen vor den Gaststätten herumstehen. „Are you hungry?“ „Pleeeaase, give me a chance!“ Unwitzig ist das Ganze nicht, wenn man gelassen und klar reagiert. 

Was war noch beeindruckend? Für mich das orientalische Flair über der ganzen Stadt: das Singen der Muezzine, die sich hier offensichtlich besonders viel Mühe gaben. Dutzende von Moscheen über das ganze Stadtgebiet verteilt, die Skyline dadurch ein Meer von Kuppeln und Minaretten. Die Märkte, das Feilschen, das Anpreisen der Waren. Die Besichtigung der uralten Zisterne unterhalb der Stadt mit ihren 360 Säulen, die teilweise auf marmornen Medusen-Köpfen stehen (spätestens hier gibt Jürgen noch einen Punkt). Auf einem Ausflugsschiff eine Tour über den Bosporus zu machen, vor einem das Marmara-Meer, auf beiden Seiten die Landmassen von Asien und Europa und man selbst auf der Linie dazwischen. Die Galata-Brücke, die über das goldene Horn führt und den alten und neuen europäischen Teil miteinander verbindet, oben Autos und Eisenbahn, unten Fußgänger und Restaurants und – Angler! Gegen Abend versammeln sich viele Dutzend Angler auf dieser Brücke, eine Angel ragt neben der anderen über das Geländer und wer darunter in einem der Brückenrestaurants sitzt, kann beobachten, wie immer wieder ein Fisch in die Höhe gezogen an einem vorbeischwebt. Beeindruckend außerdem sogar die breite Prachtstraße Istiklal im modernen Teil des Zentrums, Volksfeststimmung über zig Kilometer zwischen hoch aufragenden Prachtbauten mit prächtigen Läden, eine schwarze Menschenmasse, die sich den Boulevard hinauf- und hinunterwälzt. Sehenswert, aber auch schnell sehr anstrengend. Das Ganze vermittelt eine eindrucksvolle Vorstellung der unfassbaren Größe Istanbuls. Wie aus einer fremden Welt aufgetaucht bimmelt immer wieder ein nostalgisches Straßenbähnchen durch die Szene, hintendrauf Kinder, die sich festklammern und sich kreischend und quietschend mitnehmen lassen. Das Ende des Spektakels ist übrigens am bekannten Taksim-Platz, doch so weit kommen wir nicht: das ist der Moment, an dem Jürgen streikt! Wir kehren also um und erholen uns im beschaulichen „Han“. 

Viele Stunden verbringen wir montags im berühmten Topkapi-Palast. Wem der Name bekannt vorkommt: in einem aus dem Jahre 1964 stammenden Film mit Maximilian Schell und Sir Peter Ustinov dreht sich alles um den smaragdbesetzten Topkapi-Dolch. Diesen kann man hier übrigens in der Waffen-Ausstellung besichtigen – Jürgen hat allerdings Zweifel und hält ihn für ein Duplikat. Wie dem auch sei, das ganze Gelände und die Gebäude dieser Anlage vermitteln einen spannenden und sehr anschaulichen Eindruck der Zeit zwischen dem 16. Und dem 19. Jahrhundert, als der Sultan noch der wichtigste Mann im Staat war. Wunderschön restauriert die Gebäude (Audienzgebäude, Harem, Küchentrakt Waffenkammer, Moscheen…) mit ihren zahllosen Kupfer-Kuppeln, den prächtigen Wandkacheln und der orientalische Bemalung. Dazu die Ausstellungen mit Alltagsgegenständen aus den verschiedenen Jahrhunderten. Das Ganze gleicht einer eigenen Stadt, bis zu 5000 Menschen lebten hier, für die zum Beispiel auch täglich gekocht wurde. Allein im Harem lebten bis zu tausend Frauen – und plötzlich wirkt der weitläufige Frauentrakt ziemlich eng! Eigentlich wollten wir etwa einen halben Tag hierbleiben, aber (schwupps) sind plötzlich sechs Stunden vergangen, ohne dass wir es bemerkt haben (natürlich haben wir im Cafe mit gigantischem Blick von oben auf den Bosporus mal kurz Pause gemacht). 

Gibt Jürgen dem Palast etwa einen weiteren Punkt? Auf dem Rückweg bummeln wir nochmal über den quirligen Gewürzmarkt und erleben plötzlich sowas wie Zauberei: bunt, laut, umtriebig mit zahllosen Waren auf Holzgestellen, in Kisten und Säcken und oben an den Markisen aufgehängt ist der Bazaar, doch um 19.00 Uhr scheint plötzlich jemand einen Schalter umzulegen. Von einem Moment auf den anderen verschwinden alle Waren in den kleinen Läden, die Rolltore rollen herunter, Abfall wird zusammengekehrt, ein Müllauto fährt durch die Szene und sammelt alles ein. Und kurze Zeit später herrscht nahezu Totenstille, vorbei ist der Spuk, alles wirkt, als hätte es den Markt nie gegeben! Bis am nächsten Morgen wahrscheinlich wieder der Zauberstab geschwungen und alles zum Leben erweckt wird… Und wohin gehen wir beide nun? Ist ja klar: ins Han – und speisen wie ein Sultan! (…und weil´s so lecker war, gibt Jürgen bestimmt auch noch einen vierten Punkt!) 

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