
Am nächsten Morgen fühlen wir uns in der kleinen Burg erst recht wie der Hochadel. Grund? Wir sind (wie so oft um diese Jahreszeit) die einzigen Gäste im Speisesaal. Das Buffet wird darum auch direkt auf unserem kleinen Esstisch aufgebaut – mengenmäßig ausreichend für etwa den halben Saal. Wir sollen wohl die fehlenden Gäste ersetzen, was wir – trotz aller Mühe – nicht schaffen. Zwischendurch stampft der Hausherr die Treppe herunter, über der Schulter ein Gewehr. Er verlässt das Haus, draußen macht´s POFF und schon ist er wieder da. Fragende Blicke unsererseits. „Wolf“, erklärt er. Offensichtlich räubert ein solcher im hauseigenen Streichelzoo. Irgendein Kleingetier hat er sich schon aus der Schar der vorhandenen Kaninchen, Tauben, Gänse oder Ziegen geholt. Was genau lässt sich mangels gleicher Fremdsprachenkenntnisse nicht schlussendlich klären. Ebenfalls ungeklärt ist die Wetterlage. Am Nachmittag soll´s besser werden, lesen wir, im Moment schüttet´s Bindfäden. Wir fahren trotzdem über die Berge Richtung Toxotes, denn hier startet wohl eine schöne Wanderung durch die Nestos-Schlucht. Die (laut touristischer Eigenwerbung) die tiefste Schlucht Europas sein soll. Das Attribut, im Besitz der tiefsten Schlucht von Europa/ Frankreich/ der ganzen Welt zu sein verpassen sich andere Länder auch. Wir gehen also einfach mal davon aus, dass sie tief ist. Beim Überqueren des Bergpasses soll man einen atemberaubenden Blick auf den im Talgrund mäandernden Nestos haben – wenn die Wolken nicht so tief hängen, wie am heutigen Tag.

Wir haben einen atemberaubenden Blick auf unförmige Nebelmassen und – mal wieder quietschen die Bremsen – einen Salamander mitten auf der Straße. Zum Glück nicht überfahren. Auf diesen Moment wartet Jürgen seit Wochen! Und endlich ist das richtige Salamander-Wohlfühl-Wetter eingetroffen! Denn dieser bleibt nicht der einzige, er hat ein paar Kumpels zum fröhlichen Regen-Spaziergang mitgebracht. Und sie sind wirklich sehr niedlich, wenn sie mit ihren kleinen, kalten Füßchen bedächtig über die ausgestreckten Hände marschieren. Vorsichtig setzen wir sie ins Gras, damit sie nicht doch noch einem Auto zum Opfer fallen. Am Startpunkt der Wanderung angekommen, lässt der Regen einigermaßen nach und wir machen uns auf die Wandersocken. Mit uns kommen (Ihr könnt´s sicher schon erraten) die üblichen Straßenhunde, diesmal drei an der Zahl. Erstaunlich wie menschenfixiert diese Tiere sind, man sollte eigentlich glauben, dass sie scheu und verwildert werden, wenn sie generationenlang auf der Straße leben. Sind sie aber nicht. Wie schon mehrmals erwähnt, sind sie ganz scharf drauf, sich irgendwelchen Menschen anzuschließen und für ein paar Stunden ein Rudel zu sein. Auch diese drei wirken sehr wohlerzogen, sind auf dem schmalen Weg trotzdem teilweise ziemlich im Weg. Los kriegt man sie nicht, das haben wir inzwischen gelernt, und es spielt keine Rolle ob man sie füttert oder nicht. Unverdrossen, wie drei hundeförmige Schatten trotten sie mit uns durch die Schlucht. Und die ist wirklich sehenswert! Anfang des 19. Jahrhunderts wurden die Schienen für eine Eisenbahn durch diese Schlucht gelegt und gleichzeitig etwas weiter oben in der Felswand ein schmaler Weg für die Bahnarbeiter zum Bau und Instandhaltung angelegt. Über diesen Weg kann man nun die Schlucht durchwandern und hat dabei eine grandiose Aussicht auf den träge dahinfließenden Nestos mit seinen Sandbänken und unzähligen Windungen. Denn Schleifen bilden kann nicht nur die Mosel! Herbstlich und ein wenig dschungelartig wirken die bewaldeten Hügel mit großen, zum Teil uralten Bäumen. Ein paarmal queren wir die Bahnlinie, ein Zug lässt sich aber den ganzen Tag nicht blicken. Saison vorbei, denn andere Wanderer tauchen auch nicht auf. Uns gefällt´s, auch wenn wir am Ende des Tages ziemlich nass sind. Das allerdings liegt weniger am Wasser von oben (zum größten Teil war´s leichter Niesel mit Pausen), sondern an den hohen regennassen Gräsern, die auf den schmalen Pfad hängen. Nicht schlimm, glücklicherweise ist es überhaupt nicht kalt und zurück am Auto warten trockene Kleider und noch etwas später ein Menü beim Griechen. Was wir dabei gelernt haben: wenn man sich in Griechenland eine Vorspeisenplatte teilt, die eigentlich für eine Person gedacht ist, braucht man danach keine Hauptspeise mehr…. hat man diese trotzdem schon bestellt, ist für den nächsten Tag auch schon gekocht!
Kommentar schreiben