
Und wieder so ein Tag, an dem man abends nicht sagen kann, welches Erlebnis (und welches dazugehörige Bild, mancher Selfie sieht aus, wie vor der Fototapete) am Schönsten war. Nahezu stündlich gratulieren wir und zur Idee, drei Nächte zu bleiben (richtig gelesen, nun sind´s schon drei!). Nennen wir´s einfach Abschied nehmen von unserer Reise, der (vor)letzte unbekannte Spot, wir nähern uns bekannten Gefilden. Nächsten Samstag wollen wir bei Fani und Bobo auf Peljesac sein. Nein, der Epirus war nicht geplant, aber er hält uns fest! Und hat so gar nichts mit der blau-weißen Postkartenidylle zu tun, die man von Griechenland gewohnt ist. Ein weiteres Ziel, das wir wieder besuchen werden! Heute gibt´s schon beim Frühstück Aussicht satt auf den mäandernden Aoos, der sich in der Ebene auf weiten Kiesbetten verzweigt. Doch das ist nicht unser Ziel. Ihr wisst ja noch: Jürgen will die Paddelbarkeit des Schluchtabschnitts testen. Zurück zur Bogenbrücke und los geht die Wanderung, 2,5 Kilometer auf und ab am Aoos entlang. Hat sich´s gelohnt, Jürgen?

Das kannst du gleich selbst entscheiden 😉. Boot abladen und Paddelklamotten raus aus dem Packsack. Was für ein Duft! Egal – los geht es über die Steinbrücke, während Laila ein paar Bilder schießt und ich mich durch die ersten Sonntags-Touristen schlängle. Die machen vielleicht Augen. Ob ich wohl von der Brücke springe? Natürlich nicht – das wäre ja einfach. Stattdessen muss ich jetzt gute 2,5 km am Fluss hinaufwandern. Einfach wird das sicher nicht, da der Weg steinig und teilweise recht steil ist. Mal geht es eben am Fluss, dann steil nach oben und dann wieder steil runter. Auf der Schulter liegen gut 20 kg Kajak und nochmals einige Kilo Ausrüstung! Auf dem ganzen Weg begegne ich übrigens nicht einem Fußgänger. Dafür aber mehreren Autos voller Sonntagsspazierfahrer, die mir freundlich zuwinken und den Daumen nach oben strecken. Am Einstieg angekommen zieht es mich sofort aufs Wasser! Rein ins Boot, Kamera an und los geht es. Der Aoos zieht gleich von Beginn an mächtig an und verlangt eine klare Linie, die ich mir bei meiner Wanderung flussaufwärts einprägen konnte. So verpasse ich keinen einzigen genialen Sprungfelsen, finde meine zuvor eingeplanten Kehrwasser und kann den Bach voll und ganz und alleine für mich genießen. Einmal treffe ich am Ufer auf 3 Kletterer die mich fotografieren und begeistert winken. Dann bin ich wieder alleine und genieße das traumhafte Wildwasser, die unglaubliche Landschaft und die tollen Herbstfarben. Im unteren Drittel stoße ich auf Laila, die plötzlich auf der „falschen“ Seite des Flusses auftaucht. Nach einer kurzen Fotositzung übernehme ich den Autoschlüssel (ich bin viel schneller als ein Fußgänger) und bin dann leider viel zu schnell am Ausstieg unter der berühmten Steinbogenbrücke. Raus aus dem Boot und den meisten Klamotten und rein ins Wasser um den Neogeruch loszuwerden. Oben am Auto werde ich dann von mehreren Griechen belagert. Wie kalt das Wasser denn sei? Ich tippe auf ca. 5 Grad und sie schütteln den Kopf. Hätten sie mich vor der Wäsche gerochen – sie hätten es verstanden 😉. So war es Laila! Und wie bist du auf die andere Seite gekommen?

Sicher nicht geschwommen bei der Wassertemperatur! Aber schon am Vortag war mir bei unserer Wanderung ein kleiner, aber interessant aussehender Pfad auf der anderen Flussseite aufgefallen. Und warum zweimal denselben Weg gehen, wenn´s Alternativen gibt? Nur – wir kommt man hin? Auf dieser Seite versperrt der Brückenpfeiler den Weg, daneben hohe Mauern einer alten Festung. Ich versuch´s mal durch´s Dorf, lande irgendwann auf einem Trampelpfad, schlage mich durch Dornengestrüpp, kraxle einen gerölligen Hang hinunter, durchquere einen alten, niedrigen Schacht, im Berg, steige über eine Mauer und – puh! Befinde mich auf besagtem Pfad am Ufer des Aoos. Fühlte sich irgendwie nicht nach offiziellem Einstieg an, aber hier bin ich! Nun wird´s hübsch! Der Pfad führt eng am Fluss durch Ansammlungen uralter, knorriger Ahornbäume mit goldenem Laub. Fast meint man, Zeus´Stimme im Rauschen der Blätter zu hören, doch nein: es sind ja keine Eichen. Immer wieder gibt´s ein bisschen was zum Klettern, Felsvorsprünge mit Drahtseilen gesichert, einige Eisentritte im Stein und einmal sogar eine kurze Hängebrücke. Wer hätte das gedacht? Aber da kommt ja auch schon Jürgen und meine Mission lautet: fotografieren! Das tue ich, von vorne, von oben und von hinten. Beim Paddeln, Kerzen und Winken. Und fort ist er! Ich wandere noch etwas weiter flussaufwärts. Auf dem Rückweg bin ich sehr gespannt, ob ich womöglich einen etwas geschickteren Ausstieg aus der Schlucht finden werde und folge weiter dem Trampelpfad. Die Brücke kommt näher und näher – aber wie kommt man trocken an ihr vorbei? Des Rätsels Lösung: ein winziger Durchschlupf im Brückenpfeiler, von der anderen Seite völlig vom Gestrüpp verborgen erspart so manches mühsame Gekraxel durch Dornengestrüpp!

Auch Jürgen hat inzwischen sein Paddelbierchen ausgetrunken und wir entscheiden, den Tag mit einem Besuch im Örtchen Monodedri mit Blick in die grandiose Vikos-Schlucht zu krönen. Auch diese Schlucht rühmt sich, die tiefste der Welt zu sein und steht als solche sogar im Guinness-Buch der Rekorde. Bis zu 900 Meter sollen ihre Wände in die Höhe ragen! Auch hier thront ein Kloster hoch über der Schlucht (Kloster Agio Paraskevi – nach dem Schutzpatron für Augenleiden) und als wir von dessen Mauern in die Tiefe und auf die rötlichen und gelben, wie aufeinander geschichtet wirkenden senkrechten Felswände blicken, sind wir mehr als geneigt, an den Weltrekord zu glauben! Und es wird noch spannender! Gleich hinter dem Kloster führt ein Treppchen zu einem Trampelpfad, dieser einmal um die Ecke an den aufragenden Wänden entlang und – kurz fährt es einem in den Magen – befindet man sich auf einem von den Mönchen vor Jahrhunderten in den Fels gehauenen Vorsprung, keine zwei Meter breit, dafür ein vierhundert Meter tiefer Abgrund auf der einen Seite gähnend. Sehr vorsichtig tasten wir uns voran, so ganz ohne Griffe und Geländer. Einige hundert Meter krabbeln wir als winzige Ameisen in einer grandiosen Bergwelt, dann wird der Weg erdig, geröllig und noch schmaler, der Abgrund aber bleibt der Gleiche! Zu gefährlich, entscheiden wir, hier geht´s nicht weiter! Nicht schlimm, auch bis hierher ein so gewaltiges Erlebnis, dass wir mit leuchtenden Augen zum Kloster zurückmarschieren. Und was gibt´s zu Essen? In Griechenland meist Fleisch mit frittierten Kartoffeln, lecker, aber heute wäre uns nach etwas Abwechslung. Und wir finden sie in einem kleinen Restaurant in Monodendri. Im Kamin flackert ein Feuer, die Cola kommt aus Vikos und der Wirt empfiehlt die Spezialität des Hauses: eine besonders leckere, sehr knusprige Käse-Pita mit verschiedenen Salaten. Nehmen wir! Und bereuen es nicht!
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