
Gestern von oben reingeguckt, heute wollen wir sie auch von unten bestaunen: die (anscheinend) tiefste Schlucht der Welt, die Vikos-Schlucht! Und schon wieder haben wir Glück: die Sonne scheint (allerdings nicht bis zum Grund des Canyons), aber in der Nacht hat´s geregnet. Warum ist das ein Glück? Kanuten wissen es: damit ein Fluss spannend wird braucht´s Regen. Was gestern von weit, weit oben noch wie ein grünes Rinnsal aussah ist jetzt ein reißender und sich durch die Schlucht wälzender Strom. Als Jürgen und ich die etwa 450 Höhenmeter vom Dörfchen Vikos abgestiegen sind, erwartet uns ein ordentliches Spektakel! Auch ohne Kajak ein Erlebnis, denn der Wanderpfad führt die ganze Zeit am Wasser entlang, oft auf gleicher Höhe, manchmal steigt er auch für kurze Zeit steil an, um sich dann wieder zum Fluss hin abzusenken. Das heißt, man hat auf der ganzen Strecke gleichzeitig die sich bis in den Himmel türmenden, senkrechten Felswände und das tosende Wasser im Auge. Im Wasser: riesige, irgendwann mal von Bergen abgestürzte Brocken nebst den allgegenwärtigen, sich tapfer im Grund festkrallenden Platanen (neben der braunen Wasserfarbe ein weiterer Hinweis auf den überdurchschnittlichen Pegel).

Die Atmosphäre mal wieder griechisch-mythisch mit bemoosten, knorrigen Bäumen – ich glaube fast, der Herbst mit seinen Farben muss eine der schönsten Jahreszeiten hier sein. Ob´s stimmt? Wir werden es herausfinden, denn je mehr wir vom Epirus sehen, umso klarer wird, dass sich weitere (Paddel-) Urlaube lohnen werden. Jürgen plant schon mal die Route durch die Vikos-Schlucht, analysiert Durchfahrten und Linien, wo ich nur schäumendes Wasser und tiefe Löcher sehe. Und Siphons! Vor etlichen Felsbrocken verschwindet das Wasser einfach wie in einem Abfluss (oder in der griechischen Unterwelt – dem Hades?), um dahinter tobend wieder ans Licht zu kommen. Ein Profi-Bach, in dem man sich keine Fehler erlauben darf! Zum Glück gibt´s hier auch harmlosere Gewässer, sagen wir uns und marschieren weiter flussaufwärts. Am Wegesrand grüßen einige Salamander – noch ein Highlight! Je weiter wir vordringen, desto höher wachsen die Felswände in den Himmel, die knapp tausend Höhenmeter, die ins Guinness-Buch führten, wollen wir nicht mehr bezweifeln.

Ganz bis zum Örtchen Monodendri (dem offiziellen Ende der Tour) steigen wir allerdings nicht auf. Kurz davor machen wir kehrt, in die Dunkelheit wollen wir nicht unbedingt kommen. Denn Dunkelheit, das haben wir schon bemerkt, ist hier etwas ganz anderes, als an den meisten anderen Orten, die wir kennen. Hier ist die Dunkelheit wirklich SCHWARZ, als hätte einem jemand die Hand auf die Augen gelegt. Selbst eine Straßenlampe erhellt jeweils nur einen kleinen Kreis ringsum, schon ein paar Schritte weiter verschluckt die Nacht wieder alles. Wir schaffen´s noch in der Dämmerung wieder nach oben (war das vorher auch schon so steil?) und haben immerhin zwanzig Kilometer zurückgelegt. Da wir Monodendri nicht zu Fuß erreicht haben, machen wir noch einen Abstecher mit dem Auto dorthin. Warum? Wer erinnert sich noch an das gemütliche kleine Restaurant von gestern mit der sagenhaften Käse-Pita? Wenn das mal nicht Grund genug ist…
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