
Die ältere Generation mag sich vielleicht noch an die Begeisterung erinnern, die in den 60er Jahren die Karl-May-Filme ausgelöst haben. Auch hier wurde ja schon erwähnt, dass einige der Filmszenen im Gebiet Plitvice und Krka entstanden sind. Wer aber weiß, dass im Film „Der Ölprinz“ ein dahinschießendes Floß den Höhepunkt der Handlung bildet und die meisten dieser Szenen auf dem kroatischen Fluss Cetina gedreht wurden?
Auch Jürgen hat alte Erinnerungen an die Cetina: als Kind war er mit seiner Familie schon einmal stromaufwärts vom Örtchen Omis aus in einem Motorboot dort unterwegs. Ich habe nun also eine Bildungslücke zu schließen und wir reisen etwa eine Stunde zum Küstenstädtchen Omis, wo die Cetina in die Adria mündet. 101 Kilometer lang ist sie, lerne ich und entspringt einer Karstquelle beim Dorf Cetina. Im Oberlauf bildet sie den Stausee Perucko jezero, dessen Damm während des Balkankrieges 1995 beinahe von serbischen Soldaten gesprengt worden wäre, was wahrscheinlich den kompletten Unterlauf und auch Omis zerstört hätte. Wir sind froh, dass die Schrecken dieses Krieges wenigstens diesen Ort verschont haben und wollen uns besagten Unterlauf (fast) bis ins Meer selbst erschließen.
Da wir den Fluss nicht kennen und er teilweise tief in einer Schlucht liegt, so dass wir ihn nicht einfach abwandern können, versuchen wir an einschlägige Informationen zu kommen. Die Raftsaison hat noch nicht begonnen, das bedeutet, wir können uns nicht, wie wir es oft gemacht haben, einer Raftgruppe anschließen und mitfahren. Zudem wissen wir so auch nicht, ob über den Winter Verblockungen durch Holz entstanden sind. Wir holen uns verschiedene Referenzen ein und sind erstmal nicht schlauer: nach dem Regen führt der Fluss zu viel Wasser, nein, stimmt nicht, der Pegel ist kraftwerksgesteuert und immer ähnlich, es ist dieses Jahr noch niemand gefahren, doch, zwei Raftguides und die haben bedenklich den Kopf geschüttelt…
Wir schütteln ebenfalls die Köpfe, denken uns „viele Köche verderben den Brei“ und entscheiden, auf die beiden vertrauenswürdigsten Stimmen zu hören. Auf Tom von den Packraft-Explorers, der ein minutiöses Video über den Flussabschnitt gedreht hat und auf Franz Puckl, der als Kunulehrer unter anderem im Balkan unterwegs ist. Beide sagen dasselbe: nicht allzu schwierig, hauptsächlich read&run, das heißt, man kann alles vom Boot aus sehen und einschätzen. Eine, vielleicht zwei Stellen können nicht gefahren werden, hierfür bekommen wir von Tom sogar noch die Koordinaten und sowieso sind wir durch den Film ja bestens vorbereitet. Danke, Tom 😊!
Und plötzlich ist alles ganz einfach! Nachdem wir Sturmböen und Regen mit Ausschlafen und gemütlichen Frühstück im (beheizten!) Camper überbrückt haben geht´s gegen Mittag los! Das Fahrrad wird am Ausstieg abgestellt (der Sandwichmaker wäre hier wirklich nicht nützlich gewesen, muss ich zugeben) und wir selbst entern den Einstieg. Zwölf Kilometer wollen wir zurücklegen, das Wasser ist grasgrün und durchsichtig wie ein Aquarium, die Sonne lacht und einige kleine, spritzige Schwälle sorgen für Spaß und gute Laune. Nach all dem Hin und Her wirkt alles fast zu harmlos. Aber: safety first denken wir und genießen die Fahrt. Ruhige Stellen wechseln sich ab mit kleineren Stufen und Schwällen, in denen auch geübt werden kann. Kurz vor der ersten Kernstelle gibt es eine Reihe grandioser Schleierfälle zu bewundern und (wer möchte) auch zu durchfahren. Aber Vorsicht, wurde uns gesagt, kurz danach kommt ein unfahrbarer Katarakt! Und wie er kommt! Jürgen fährt an die Ecke, macht den Hals lang, steigt aus und signalisiert: hier müssen wir an Land! Sieht gruselig aus, denn das Kehrwasser, in das ich fahren soll wirkt wie das buchstäblich allerletzte Kehrwasser vor dem Abgrund! Jürgen fuchtelt, ich fuchtle auch: vielleicht doch auf der anderen Flussseite aussteigen? Kurze heftige Diskussion via Handzeichen, er hüben, ich drüben, dann paddle ich doch los. Und ja, der Mann hatte recht: das Kehrwasser zu erreichen war kein Problem. Das Umtragen über Felsbrocken und durchs Gestrüpp ist dafür nicht ohne und ich erlaube sogar (ganz kurz!) dass mir mein treuer Loki getragen wird…
Auf der anderen Seite geht´s wieder ins Wasser, ein kurzer Blick von unten in den Katarakt: nein, da will man nicht fahren! Tiefe Stufen, verblockt mit dicken Felsbrocken, dazwischen rauscht und brodelt das Wasser – schon vom Reinschauen bekommt man eine Gänsehaut!
Ab jetzt wird´s schluchtig! Die hohen Felshänge rücken dichter an den Fluss heran, der Fluss wird schmäler und schneller und die Stufen und Schwälle folgen dichter aufeinander und nehmen an Schwierigkeit ein wenig zu. Aber alles gut machbar, bis … eine verblockte Stufe mit Querströmung mich zu Fall bringt! Unten im luftdurchsetzen Blubberwasser gestaltet sich der weitere Ablauf nicht ganz so, wie ich mir das eigentlich vorstelle – darum schweigen wir über den Rest und fahren alsbald weiter durch dschungelartig überwucherte grüne Fluten. Ein herrliches Ambiente! Bis zur nächsten Kernstelle: es ist gleich zu sehen: auch hier wird nicht gefahren! Denn ein umgestürzter Baum versperrt die Durchfahrt! Also wieder: raus aus den Booten und klettern, Boote tragen und ziehen und weiter geht´s! Wir sind uns einig: ein toller Fluss, gerne wieder, aber nicht gleich morgen!
Denn am Ausstieg ist zwar für mich, nicht aber für Jürgen das Ende der Herausforderungen! Während ich nämlich die Boote bewachen darf (und mich gegen die kalten Windböen mit Umherrennen warmhalte) darf er mit dem abgestellten Radel zum Auto zurückdüsen! Wie war`s? Anscheinend ist das grandiose Outfit am meisten im Gedächtnis geblieben: Shorts über dem Paddelstrampler und der Paddelhelm mit der Kamera drauf auf dem Kopf! Die Rennradler, die zum Überholen ansetzten sendeten wohl verwunderte Blicke! 310 Höhenmeter und fünf Kilometer weiter kurbelte der seltsame Bursche dann noch einmal an den Pause machenden Sportlern vorbei. Die nächsten sieben Kilometer ging´s bergab und noch ein drittes Mal gab es eine Begegnung mit den Rennradlern: diesmal mit Camper und aufgeladenem Bike.
Währenddessen hatte ich genug Gelegenheit den schönsten und verdientesten Stein aus der Cetina zu fischen. Ein Hoch dem Steintourismus!
Kommentar schreiben