DREIZEHN UNTERWEGS
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Auszeit 2025  ·  07. Mai 2025

Vom Dschungel in die Metropole

Wir wagen uns noch weiter südöstlich, folgen einem weiteren Tipp der ungarischen Kollegin und landen (gefühlt) im Dschungel! Beim Örtchen Bakonynana bildet der Fluss Gaja eine spektakuläre Verengung, überwindet einen beträchtlichen Höhenunterschied in Form mehrerer kleiner Wasserfälle und gräbt dabei unzählige Becken ins Kalkgestein. Höhepunkt der ganzen Geschichte ist eine kurze steilwandige Schlucht. Wer uns kennt weiß, dass so etwas ganz nach unserem Geschmack ist. Auf Grund der frühen Jahreszeit wurde wohl noch nicht „aufgeräumt“ (diese kleine Wanderung ist recht populär) und so liegen stellenweise umgestürzte Bäume kreuz und quer, die überklettert oder auch im Limbo-Style unterwandert werden dürfen. Zudem kreuzt der Weg mehrmals das Bächlein mittels von wem auch immer hineingelegter Steine und Baumteile jedweder Form. Zwischendurch geht´s eine Weile über Waldwege und anscheinend muss an einem der vergangenen Tage ein Offroad-Rennen stattgefunden haben. Deutlich sind die Spuren in den Schlamm eingegraben, quer durch den Wald, hoch auf die Böschungen, rundherum im Kreis und wieder zurück. Somit erklärt sich auch die Kolonne an diversen Transportern mit aufgeladenen geländetauglichen Fahrzeugen, zum größten Teil völlig mit Matsch überzogen und teilweise demoliert, die wir auf der Herfahrt beobachtet hatten. Sowas geht abseits von entsprechend deklariertem Gelände mitten in der Natur quer durch´s Wandergebiet? Anscheinend ja! Wieder was gelernt…

Wir folgen  der Gaja wieder ein Stück rückwärts und können die kleine Klamm nun auch von unten bestaunen. Ob es wohl möglich ist, an den steilen Felsen hinaufzuklettern ohne den Umweg über den Wanderpfad zu nehmen? Einen Versuch ist es wert, vorsichtig über Holz und Steine durchs Wasser balancieren und am erstaunlich griffigen Fels nach oben kraxeln. Eigentlich kein Problem und macht einen Riesenspaß! Die grün bemoosten und bewachsenen Felswände und das schummrige Licht, das von oben durch die hellgrünen Blätter sickert sorgt zum Abschluss nochmal für Dschungel-Expeditions- Ambiente.

Weiter geht´s anschließend zum Übernachten an den Velencei-to, einen kleinen See nordöstlich des Plattensees. Hier finden wir bei Windböen, grau verhangenem Himmel und gekräuseltam metallfarbenem Wasser Nordseestimmung vor. Und wir beginnen, die röhrenden Fasane zu vermissen, denn hier hat sich die invasive Nilgans ziemlich rücksichtslos breit gemacht. In größeren Scharen grasen sie auf den ansonsten recht leeren Wiesen oder dümpeln auf dem Wasser herum. Außerdem sorgen sie für ziemliche Schweinerei auf dem Uferpfad. Aber hierfür wird vom Campingplatzbetreiber eigens Reinigungspersonal mit entsprechendem Gerät eingesetzt, wie wir am nächsten Morgen beobachten können. Zum Abendessen verbrennen wir ein paar Spiegeleier und stehen endgültig vor einer Frage, um die wir bisher einen kleinen Bogen geschlagen haben: Budapest ja oder nein? Jürgen ist eigentlich nicht unbedingt ein Städte-Trip-Typ und auch ich bin mir nicht sicher, ob mir der Sinn nach noch mehr Großstadt-Action steht. So spannend Tirana war: (unfreiwillig) vier Tage leben im Hotel direkt an der Hauptdurchgangsroute haben Spuren hinterlassen. Aber: wer nicht wagt der nicht gewinnt! „Wir machen einfach!“ wird beschlossen. Und über die Länge des Aufenthalts kann jeden Tag neu verhandelt werden.

Ein Campingplatz in relativer Nähe zum Zentrum ist schnell gefunden, ebenso schnell sind wir eingecheckt und das gelbe Uber-Taxi steht, bestellt über die App, in Nullkommanichts vor dem Tor. Ein paar Tipps für Ungarns Hauptstadt habe ich in der Hinterhand. Hauptsächlich aber lassen wir das nagelneue Terrain erst einmal wirken und so schlampern wir gemütlich durch die Straßen. Erste Eindrücke? Sauber. Bunt. Sehr hip und individuell. Wo oft in den Straßen der Großstädte ein ähnliches Bild an Geschäften und Restaurants herrscht (die allgegenwärtigen Starbucks, McDonalds, H&M und was es noch alles gibt) ist das hier definitiv nicht so. Ein buntes Wirrwarr an kleinen interessanten Läden und verschiedenartigsten Restaurants, Cafes, Bistros in den Erdgeschossen der beeindruckenden Stadthäuser. Allein die kaum überschaubaren Möglichkeiten, sich mit Essen zu versorgen überfordern mich im ersten Moment. Ich rechne schnell nach, wie viele Mahlzeiten lang wir wohl in Budapest bleiben werden und komme zum Schluss, dass zumindest ein größerer Teil der lokalen Spezialitäten probiert werden kann.

Zuerst einmal aber verschaffen wir uns einen Überblick und fahren eine Runde mit dem Riesenrad am Elisabethplatz. Links von uns die Donau, gut zu wissen, da geht´s dann auch gleich hin. Und hier treffe ich auch auf mein persönliches Highlight, die kultige, kleine gelbe Straßenbahn der Linie 2, die mit bester Sicht auf das gegenüberliegende Buda-Ufer mit seinen Schlössern an der Donau entlang rumpelt. Anscheinend wurde sie von National Geographic schon einmal zur schönsten Straßenbahnlinie Europas gekürt! Meine Begeisterung spiegelt sich, da muss die Welt nun durch, auf zahlreichen Fotos wider, auf denen das Bähnchen der Hauptakteur ist. Was weiter auffällt? Der „schöne“ Teil von Budapest ist riesig! Oft ist in großen Städten das lohnende Areal relativ schnell abgewandert und übrschaubar. Hier aber wartet hinter jeder Ecke der nächste spannende Abschnitt. Noch mehr Lädchen mit kreativen oder leckeren Inhalten! Die Donau mit ihren Brücken, jede anders gebaut! Das Judenviertel mit den Synagogen und die beeindruckenden Kirchen und Staatsgebäude! 

An diesem ersten Abend gibt´s allerdings erst einmal kein traditionell ungarisches Dinner, sondern Jürgen wünscht sich einen Besuch in einem libanesischen Lokal, das einzig darum ausgesucht wurde, weil es so heißt wie ich! Wir bereuen es allerdings nicht, denn das Essen ist lecker und die Bedienung super freundlich. Einer der Kellner kann deutsch und möchte es unbedingt mit uns austesten. Woher er die Sprache so gut spricht, will ich wissen. Die Freundin kommt aus Hamburg und studiert hier Medizin, meint er. Seit drei Monaten übt er deutsch mit ihr. Und gleich zieht er seinen Kollegen am Ärmel zu uns heran und verlangt auch für ihn eine Deutsch-Lektion.

Frisch gestärkt stürzen wir uns in unser Abendprogramm: die Ruinen-Bar Szimpla Kert im Judenviertel. Anscheinend gibt es mehrere solcher Bars in Budapest, diese aber ist die erste und bekannteste. Wie der Name schon ahnen lässt, handelt es sich hier um Bars und Clubs, die in verfallenen Häusern oder in von Efeu überwucherten Hinterhöfen entstanden sind. Verfallen und heruntergekommen wirkt unsere Bar (zumindest bei Nacht) nicht, sondern verwinkelt, lebendig, überall mit bunten Lichtern verschiedenster Art beleuchtet, in jeder Ecke gibt es Tischchen, Stühle, Hocker, Bars, eine Weinstube. Über Treppen gelangt man auf eine weitere Ebene und hier haben wir Gelegenheit, das Treiben und die verschiedenen Besucher bei (tatsächlich ziemlich teuren) Drinks zu beobachten. Einige Trüppchen mittelalter Damen entern den mit Discokugeln und Lampions geschmückten Eingangsbereich. Zack, alle Handys sind draußen und es wird fotografiert, was das Zeug hält. Und weg sind sie wieder. Eine Gruppe Asiaten hat mehr Durchhaltevermögen. Im Gänsemarsch durchkreuzen sie das ganze Ambiente, hoch die Treppen, wieder runter. Dort trennt sich das Ganze in zwei Teile um am anderen Ende wieder zusammenzufinden. Es wirkt wie ein konzentrischer Fischschwarm.  Und natürlich ist durchaus nahvollziehbar, dass man zumindest versuchen möchte, die spannende Atmosphäre via Bild festzuhalten, auch ich bin fleißig dabei! Allerdings macht das Ganze nicht einmal vor dem stillen Örtchen Halt, wie Jürgen nach einem Besuch desselben berichten kann. Noch während er dort beschäftigt war, betrat ein weiterer Mann mit Handy im Selfiemodus das Etablissement und filmte ungeachtet weiterer Anwesender einmal rundherum. 

Ein weiters Getränk leisten Jürgen und ich uns nicht, gönnen uns aber zum Abschluss noch einen Gratis-Blick über die Donau auf die nun beleuchteten Schlösser und Brücken.

Mein „Nicht-Städte-Trip-Typ“ hat tatsächlich Lust auf nochmal Hauptstadt und auch ich möchte nach unserer Selfmade-Tour mehr über Budapest erfahren. Wie bereits berichtet sind wir inzwischen große Fans der Free Ride Tours und wollen das System auch hier gleich ausprobieren. Gebucht ist schnell übers Internet. 10.30 am Riesenrad? Kein Problem, Frühstückslokale gibt´s hier genug und so sitzen wir schon um 9.00 bei geröstetem Sauerteigbrot mit Rührei und Avocado, Smoothie Bowl, Kaffee und Obstshake und stellen fest: wer nach 10.00 hier einläuft hat keine Chance ohne Reservierung einen Platz zu bekommen. Nachvollziehbar, das Frühstück war fantastisch und der Plan „wir futtern uns durch den Tag“ startet vielversprechend. 

Auch unsere Stadtführung startet vielversprechend. Judit, unser Guide, führt uns erst einmal unterhaltsam in Ungarns Geschichte ein. Wie das Volk im Neunten Jahrhundert vom Uralgebirge in die Mitte Europas umgesiedelt ist. Wie es an dem 15. Jahrhundert zuerst von den Osmanen und später von den Österreichern besetzt wurde. Wir besichtigen die Basilika des Heiligen Istvan, des Königs, der etwa im Jahr 1000 den damals noch sehr wilden und räuberischen Ungarn „Benehmen“ beibrachte. In dieser Basilika lagern zwei heilige Relikte, genannt „the holy right“ und „the holy left“. Was dahinter steckt? Bei ersterem handelt es sich um die mumifizierte (rechte)Hand des Königs, die auch besichtigt werden kann. Und bei zweiterem? Hier handelt es sich tatsächlich um den Ausnahmefußballer und ungarischen Nationalhelden Ferenc Puskas, der zwischen 1950 und 1954 die ungarische Nationalmannschaft als Kapitän anführte und beim „Jahrhundertspiel“  in England die Gastgeber das erste Mal seit Dekaden im eigenen Land schlug und auch beim „Wunder von Bern“ 1954 gegen Deutschland dabei war. Bis dato durften nur Könige und Heilige in der Basilika bestattet werden. Und warum „holy left“? Weil Puskas „Linksfüßer“ war.

Wir erfahren, dass es sich beim ungarischen um eine sehr komplexe  und eigene Sprache handelt, die noch am ehesten mit dem finnischen verwandt ist. Wie auch wir festgestellt haben, ist eine Vorliebe für lange Wörter vorhanden. Das längste Wort, das Judit kennt hat 44 Buchstaben („mehr als das Alphabet“) und bedeutet, wenn ich es richtig verstehe eine höfliche Form von „…wenn es Dir nichts ausmacht…“. Und warum bezeichnet Judit ihre Sprache als „Alien-Language“? Tatsächlich wurde sie in Filmen schon verwendet, um Außerirdischen (unter anderem sogar in einer kurzen Szene in „Star Wars“) oder von bösen Geistern Besessenen eine eigene Sprache zu geben. Wohl in der Annahme, dass der größte Teil der Welt diese Sprache ohnehin nicht einordnen kann. Weiter geht die Tour zum Ufer der Donau. Hier wird mit den Skulpturen von Schuhen auf die Verbrechen an Juden aufmerksam gemacht, die auch hier in Ungarn stattgefunden haben. Bis zur Mitte des Jahres 1944 war auch Ungarn mit Nazi-Deutschland im Bunde, kehrte sich aber, als sich abzeichnete, dass Deutschland den Krieg verlieren würde, gegen das Land. Deutschland bemerkte das Ganze und rückte noch in den letzten Tagen in Budapest ein, was über 60 000 Juden das Leben kosten sollte. Viele davon wurden hier am Donauufer erschossen und anschließend in den Fluss geworfen. Zusammen mit den 6 Millionen europäischer Juden, die während der Nazi-Herrschaft ihr Leben verloren gewann die Zahl 6 an symbolischer Bedeutung. Daran sollen hier nun die sechzig Schuh-Skulpturen erinnerern. Und ich merke mal wieder, man gewöhnt sich nicht an die vergangenen Schrecken, egal wie viele grauenvolle Details noch ans Licht kommen.

Von noch mehr Zahlensymbolik weiß Judit vor dem Parlamentsgebäude zu berichten. Das Jahr 896 gilt den Ungarn als das Gründungsjahr ihres Landes. Bei ihrem Bau wurden sowohl die Basilika als auch die Kirche mit einer Höhe von 96 Metern als die höchsten Gebäude Budapests konzipiert und festgelegt, dass es keine höheren Gebäude in der Stadt geben dürfe. In den kommunistischen Zeiten nach dem Zweiten Weltkrieg wurde kurzerhand ein roter Stern auf die Spitze des Parlaments gesteckt. Somit wurde es zum höchsten Gebäude der Stadt. Allerdings, räumt Judit ein, ändern sich die Zeiten. Inzwischen gibt es ein Bürogebäude, das Kirche und Basilika überragt. Damit endet die Tour und das Fazit lautet auch diesmal: mehr als lohnenswert und immer ein heißer Tipp!

Auf Rädern geht´s weiter beschließen wir und fahren mit der gelben Kult-Straßenbahn am Flussufer runter und wieder hoch bis zur Margit hid (Margarethenbrücke), schlendern durch die Markthalle und wollen dann unbedingt die Elektro-Roller ausprobieren, die an jeder Ecke herumstehen. Per App sind sie schnell freigeschaltet und huii! – jetzt sind wir echte Touris und düsen erstmal über die Margit hid, einmal rund um die Margaretheninsel mit ihren Parks und Sportanlagen und wieder zurück auf die gut ausgebauten Radwege an der Donau. In Nullkommanix sind wir wieder unten im Zentrum. Coole Sache, wenn man schnell mal ein paar Kilometer zurücklegen möchte. Aber natürlich darf unsere Mission nicht vergessen werden! Lokale Spezialitäten essen! An jeder Ecke gibt´s hier kleine Lädchen, in denen frische Kürtöskalacs gebacken werden. Vor den Augen der Kunden wird Hefeteig (nehme ich an?) zu langen Bändern gerollt, um Metallstäbe gewickelt und gebacken. Auf Wunsch wird das Ganze dann in Nüssen, Zimt oder Pistazien gewälzt und der (durch das Entfernen des Metallstabs entstandene) Hohlraum mit Nutella, Pistaziencreme oder Eis gefüllt. Wie man sich denken kann beinahe eine Diätspeise! Aber nach so viel anstrengendem Rollerfahren durchaus verdient! Wir genießen noch einmal das Treiben in den Straßen und spazieren danach über die imposante Szabadsag hid (Freiheitsbrücke). Die gelben Kult-Bähnchen bringen das Gebilde beim Überfahren jedes Mal zum Vibrieren und mich dazu, die Handy-Kamera zu zücken. Auf der Buda-Seite (denn Buda und Pest waren vor dem Bau der ersten Brücke getrennte Städte) bestaunen wir den Gellert-Hügel aus der Nähe. Mein „Nicht-Städte-Trip-Typ“ war bis hierher erstaunlich tapfer, jetzt aber hat er Hunger und will nicht mehr auf der zugigen Brücke stehen. Und heute wird ungarisch gegessen! Im Simaliba wird traditionell gekocht: für Jürgen gibt´s Wild mit Kartoffel-Maronen-Dumplings, für mich Kartoffelpasta (konnte mir die komplexen ungarischen Namen nicht merken), dazu Pickles, von denen ich die essbaren und Jürgen die höllisch scharfen bekommt. Und somit ist auf der Essenswunschliste für morgen eigentlich nur noch das traditionelle Gulasch und Langosch übrig. Das sollte doch zu schaffen sein…

 

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