DREIZEHN UNTERWEGS
  • Start
  • Blog
  • Über uns
  • Familie
Auszeit 2025  ·  19. Mai 2025

Waterproofed

Unser neuer taiwanesischer Freund nennt sich übrigens „Bike-Snail“ und zeigt uns auch gleich ein passendes Logo, das er entworfen hat und einige Filmchen seiner Reisen. Im Schneckentempo kann er trotz des Namens nicht unterwegs sein, pro Tag radelt er im Schnitt 60 Kilometer, wie er berichtet. Vielleicht hat er auch einfach, wie das gleichnamige Tier, kein Problem mit dem Regen, denn fröhlich pedalt er mit seinem vollgepackten Drahtesel davon. Wer weiß, ob er uns in nächster Zeit noch einmal über den Weg radelt, unsere Touren ähneln sich. Nur nach Georgien darf er als Taiwanese nicht einreisen: Georgiens neue Regierung sympathisiert allzu sehr mit China…

 

Auch wir machen uns, allerdings mit unseren üblichen vier Rädern, auf den weiteren Weg. Bevor wir das eigentliche Ziel, den Retezat Nationalpark anvisieren, machen wir noch einen Stopp in Hunedoara (auf deutsch Eisenmarkt), das es gleich aus zweierlei Gründen kulissentechnisch auf die Leinwand geschafft hat. Für die eher dystopische Stimmung sorgen die mächtigen stählernen und verrosteten, vor allen Dingen aber stillgelegten Produktionsanlagen ehemaliger Eisenhütten und Chemiewerke, die aus Zeiten kommunistischen Größenwahns stammen. Westlichen Filmproduzenten dient das Ganze wohl bis heute als skurrile Kulissen. Fast surreal taucht plötzlich inmitten dieser rostigen Zeitzeugen ein Märchenschloss auf. Zumindest wirkt es auf den ersten Blick so mit seinen Wehrbrücken,  zahllosen Türmen und Erkern. In Wirklichkeit handelt es sich aber um das Burgschloss Corvinesti, das im 14. Jahrhundert errichtet und in den folgenden Jahrhunderten immer weiter aus- und angebaut wurde. Und anscheinend zieht es seit seinem Auftritt in einer Netflix-Serie („48 Stunden Angst“ – kennt das irgendjemand???) noch mehr Besucher an als zuvor. Tatsächlich wirkt es schon von außen wie das perfekte Filmset und obwohl weder Jürgen noch ich eine allzu große Neigung zur Besichtigungen alter Steine haben, erstehen wir doch schneller als gedacht zwei Tickets für das Märchenschloss. Und wirklich: in diesem Fall hat sich die Investition gelohnt! Das Gemäuer ist nicht nur von außen äußerst prächtig, auch von innen hat man sich mächtig ins Zeug gelegt, das Ganze stilvoll und authentisch zu restaurieren. Es ist eine riesige Anlage und ausgehend von einem großen, mit glänzenden Steinplatten ausgelegten Innenhof, in dessen Mitte noch der originale Fels erhalten blieb, auf dem die Burg steht, kann man in alle Richtungen durch die verschiedenen Gänge, Hallen, gewundenen Treppenhäuser, Brücken, Balustraden, Turmzimmer, Balkone, Rittersäle und Kammern flanieren. Von oben hat man einen herrlichen Blick über die verschachtelten Dachkonstruktionen, Türmchen und Eker und eigentlich hätte auch „Harry Potter“ ganz gut in dieses Ambiente passen können. Schnell ist ein kleines Video mit entsprechender Aussicht gedreht, profimäßig vertont mit der von Jürgen gepfiffenen Harry-Potter-Melodie. Ob Schwiegertochter My (größter uns bekannter Hogwarts-Fan) wohl den Unterschied bemerkt? Und noch einmal apropos Film: in der weiter oben genannten Serie wird wohl mehrfach behauptet, Fürst Vlad III, der als literarisches Vorbild für Graf Dracula gilt, hätte hier zeitweise gewohnt. Was nicht stimmt, allerdings war er wohl immerhin gern gesehener Besuch.

Und weil ich es in Ungarn nicht geschafft habe, hole ich es hier noch ganz schnell nach: vor der Burg gibt´s Langos! Einmal mit viel Knoblauch bitte! Und Jürgen nimmt, wenig überraschend: Pommes! (weil´s hier kein Schnitzel gibt)!

 

Obwohl die Wetter-App immer noch kein echtes Einsehen mit uns hat und die Prognose weiterhin sehr gemischt bleibt, wollen wir das wilde Retezat anfahren. Je wilder desto besser, sagen wir uns und lassen uns überraschen! Erstmal überraschen uns am anderen Ortsende von Hunedoara sehr seltsame Häuser und das seltsamste sind die Dachaufbauten: mehrstöckig, aus silbernem Metall mit aufgebogenen Dachtraufen, die zudem mit zahllosen Erkern, Verzierungen und Wappen versehen sind. Das Internet ist schnell befragt. Wir erfahren, dass hier Angehörige der Roma zum Teil ganze Siedlungen in diesem Baustil errichten und bewohnen. 

Weiter geht´s und es wird merklich ländlicher. Die Orte werden kleiner, die Häuschen ebenso, die Abstände dazwischen dafür größer. Hügel und Berge tauchen am Horizont auf und kommen immer näher. Dann durchqueren wir die Stadt Petrosani, am Rande der Berge. Ganz eindeutig ist auch dieser Ort, wie Hunedoara, eine ehemalige Bergarbeiterstadt. Allerdings deutlich größer! Über Kilometer hinweg sehen wir auf der rechten Seite der Straße die verrosteten, eingestürzten und halb zerfallenen Anlagen der Eisenhütten, Fördertürme, Eisenbahnanlagen und sonstigen Gebäude, die als Zeitzeugen in den blauen Himmel ragen. Dazwischen und daneben die üblichen kleinen Häuschen mit Garten, Wäscheleine, Hühnern und Oma, die Pferdefuhrwerke, die Schafherden, die herrlichen Obststände am Straßenrand.

Und dann geht´s hoch in die Berge über die Serpentinenstraßen in die Wälder hinein. Auch hier gibt es einen Schlafplatz für uns. Da das Wildcampen im Nationalpark streng verboten ist haben wir die beiden Campingplätze im Gebiet angefragt. Antwort: noch keiner da, stellt Euch hin, zahlen müsst Ihr nichts. Machen wir so und bald sind wir zwischen hohen Tannen und Buchen bestens eingerichtet. Und wie sich zeigen wird, starten wir in diesen Tagen den Regenwetter-Intensiv-Test unter Wildnis-Bedingungen! Zuerst täuscht die Sonne allerdings noch an, wir jedoch lassen uns nicht veräppeln und bauen die Markise trotzdem auf. Und kurz darauf auch die Seitenwand, denn nun kommt der Regen von rechts. In den kurzen Momenten, in denen es nur nieselt, bringt Jürgen tatsächlich mit dem durchweichten Holz aus dem Wald ein Feuer in Gang, das nicht einmal ganz so sehr qualmt, wie erwartet. Wir beglückwünschen uns zum Kauf der hochwertigen Markise, denn so können wir völlig trocken kochen, essen, dem Feuer aus einiger Entfernung beim Rauchen zusehen und nasse Klamotten aufhängen. Und natürlich freuen wir uns später zum wahrscheinlich 253. Mal über die Heizung, die unser Schlafzimmer kuschelig und trocken hält.

Auch zum Frühstück zeigt sich die Sonne kurz in den Wolkenlücken und wir entscheiden: Top-Wetter, also schnell die Wanderschuhe geschnürt und los geht´s! Ach ja, noch fix die Spülschüssel unter den Ablauf der Markise stellen (ein weiterer Vorteil), damit für den Abend genug Spülwasser vorhanden sein wird und die Trinkwasservorräte anderweitig eingesetzt werden können.

Die Wanderung startet sofort spannend in einer schmalen Klamm mit einigen kleinen Kletterpassagen. Das Retezat-Gebiet gilt als noch relativ unerschlossen, hier gibt es tiefe Schluchten, Urwälder, hohe Gipfel und viel Wildnis. Kein Wanderer begegnet uns hier und auch kein Bär. Allerdings entdecken wir etliche morsche Bäume, die er auf Suche nach Maden mit seinen Krallen bearbeitet hat. Und wir erleben eine Landschaft der Extraklassen: wilde Wälder mit uralten Buchen, schroffe Felsen, Ausblicke auf beschneite Berggipfel und endlosen Hügelkämme, schmale Pfade in karstigem Gebiet, Nadelwälder bis zum Horizont, zwischen all das eingebettet Wiesen mit struppigem Gras und plätscherndem Bächlein. Veilchen, Anemonen, Stiefmütterchen: die lokale Fauna hängt noch im März fest. Wettertechnisch befinden wir uns dafür im April: auf Sonne folgt Schneeregen, Graupel, wieder Sonne und etwas Regen. Die Wolken hängen teilweise tief, um dann aufzureißen und die Sonne durchblitzen zu lassen. Doch solche Kapriolen tun unserer Begeisterung keinen Abbruch. Diese Tour kommt auf die Liste meiner persönlichen Lieblingswanderungen! Mit und ohne Regenklamotten!

Und abends entfacht der Master of fire ein prasselndes Lagerfeuer, das auch vom heftigsten Regenguss nicht bezwungen werden kann. Und wieder – deja-vu – betrachten wir das Spektakel von unter der Markise und futtern dabei Würstchen mit selbstgemachtem (!) Kartoffelsalat während am Himmel kurz ein Regenbogen erscheint – wir wissen halt zu leben!

Den nächsten Morgen verbummeln wir ein wenig, denn was ist zu hören, als wir im kuschelig warmen Auto aufwachen? Richtig, das Prasseln von Regen! Dann bleibt´s halt noch ein bisschen kuschelig, ins Aprilwetter kriegt uns keiner raus! Als dann aber die Sonne erscheint und der Wind die grauen Wolken vertreibt wird´s umtriebig. Wir wissen ja: lange hält´s nicht! Also erstmal das Auto aus der inzwischen entstandenen Schlammwüste rausfahren, bevor es ganz versinkt. Um die Markise für die Aktion nicht einrollen zu müssen rennt Jürgen synchron mit. Wasser erhitzen, denn wir sind ja Luxuscamper und kreieren via Suppentopf eine warme Dusche (die installierte Kaltwasserdusche heben wir uns für wärmere und trockenere Gelegenheiten auf). Dann befreien wir alles von Schlamm (Bächlein gibt´s zum Glück gleich nebenan) und pünktlich, sobald das Frühstück auf dem Tisch steht kommt der Regen zurück! Runter unter die Markise, es folgt eine halbe Stunde die Sonne-Regen-Sonne-Regen-Show, die tatsächlich mit 15 Minuten Sonne endet uuuuuund….. Ihr könnt´s Euch denken! Was sind also die Testergebnissen unserer persönlichen Wasserdichtigkeit? Naja, Sonne ist schon schöner. Aber wie sich zeigte kommen wir mit unserer Ausstattung bestens und trocken durch längere Mistwetterphasen, ohne dass irgendwann kein trockener oder schlammfreier Faden mehr gefunden werden kann. Der Stempel „waterproofed“ kann also draufgedrückt werden, auch auf die Protagonisten!

tagPlaceholderTags:

Kommentar schreiben

Kommentare: 0

Digital findet ihr uns vielleicht bei Facebook?!

 Wo wir wohnen ist nicht wichtig! Haltet unterwegs die Augen nach der 13 auf!!

Impressum | Datenschutz | Cookie-Richtlinie | Sitemap
Anmelden Abmelden | Bearbeiten
  • Start
  • Blog
    • Auszeit 2025
    • Auszeit 2019
  • Über uns
  • Familie
  • Nach oben scrollen
zuklappen