Weil´s so schön ist und weil wir den Eindruck haben, noch lange nicht alles Fabelhafte der Gegend erkundet zu haben (hat man das jemals, wenn es irgendwo schön ist?) bleiben wir einfach noch ein wenig auf dem netten Campingplatz. Jürgen muss ohnehin einen Bürotag einlegen, das bedeutet, für mich ist Zeit, eine Runde durch´s Dorf zu joggen (Achtung, Running-Gag: „ich habe einen Hund“, in dem Fall einen Dackel), Wäsche waschen, Fotos sortieren, Texte schreiben, Reisetipps mit unseren wenigen Mitcampern austauschen, später ein wenig auf Bienenfresser-Jagd gehen. Diese für uns völlig exotisch aussehenden, bunten Vögel trudeln gerade wieder aus Afrika ein und umkreisen gerne sandige-lehmige Hügel, die sich in der Nähe befinden. Zuerst entdecken wir die von Anja beschriebenen Auerochsen und gleich darauf auch die gesuchten Vögel. Weit oben am Hang kreisen sie, durch das Teleobjektiv der Kamera aber doch ganz gut zu beobachten. Aber schon wartet der nächste Termin: nochmal essen im kleinen Restaurant im Ort. Und wieder gibt es fantastische Hausmannskost, mit uns isst Marcos, ein Heilerziehungspfleger aus Brasilien, der seit zehn Jahren in Deutschland lebt und arbeitet. Zur Zeit wandert er die Via Transilvanica, die Wanderroute, die sich von Nord-Osten Richtung Süd-Westen durch Rumänien schlängelt. Ein bisschen bejammert er die Blasen an den Füßen und die Sorge, einem Bären zu begegnen: „Ich habe ein bisschen Angst, denn ich wandere alleine und bin sehr leise.“ Ansonsten ist er aber, genau wie wir, völlig begeistert vom wilden Rumänien. Denn wir wissen und so soll es auch sein: „Dies ist NICHT das deutsche Mittelgebirge!“ Davon überzeugen wir uns gleich am nächsten Tag wieder.
Unser Ziel heißt Lacul Gales, ein See eiszeitlichen Ursprungs, der auf knapp 2000 Metern oben in den Bergen liegt. Bedeutet für uns: fast tausend Höhenmeter und fünfzehn Kilometer sind zurückzulegen. Am Ende werden´s mal wieder mehr (nämlich siebzehn), aber die Wanderung ist so schön, dass uns die Mühen nicht auffallen. Salamander gibt´s am Wegesrand zu begrüßen, der Bach Nucsoara rauscht wild zwischen mächtigen Felsblöcken (die teilweise von unwirklich roten Flechten überzogen sind) zu Tal und begleitet uns ein großes Stück Wegs. Immer wieder überspannen nicht besonders vertrauenswürdig erscheinende Brücken den Bach. Doch wer Abenteuer erleben will, darf nicht zögern, also rüber mit uns. Sehr steil bergauf geht es anschließend durch düsteren Fichtenwald, dekoriert mit leuchtend grünem Moosteppich und mächtigen Felsbrocken. Und oben: immer wieder ein Erlebnis, nach erfolgreichem Anstieg im alpinen Gelände anzukommen! Schneefelder vom Winter müssen überquert werden, teilweise verwandelt sich der steinige Pfad selbst in einen kleinen Bach, auf dem von Stein zu Stein balanciert werden muss und die gewaltigen grauen Gipfel ragen auf allen Seiten in den Himmel. Einen sehr grauen Himmel übrigens, aber wir haben mal wieder Glück: der Regen schaut nur kurz in Form von Niesel vorbei, ansonsten zeigt sich immer mal wieder etwas Blau. Wir sind Schlimmeres gewohnt und zufrieden.
Und dann erreichen wir den Lacul Gales: schwarzes Wasser eingeschlossen von schroffen Felszacken! So liegt er eingebettet in einsamer Bergwelt! Was für ein besonderer Ort!
Auf dem Rückweg nehmen wir eine Alternativroute über einen weiteren kleinen See voller Molche (den Tau Dintre Brazi) und entdecken, dass gar keine Brücke noch ein bisschen schlechter ist als eine nicht vertrauenswürdige. Denn genau diese Situation begegnet uns bei unserem Abstieg durch den Wald. Wobei, „gar keine“ stimmt nicht. Irgendjemand hat wohlmeinend ein paar mäßig dicke Stämme über den Bach gelegt. Sehr glitschige und wackelige Stämme. Auf Eleganz kommt´s hier nicht an, Hauptsache trocken, denke ich mir und komme teils auf allen Vieren, teils fast aufrecht tatsächlich wohlbehalten drüben an! Ab hier ist es dann ein Kinderspiel. Was für eine herrliche Wanderung! Und fast egal, haben wir den Eindruck, wohin man hier läuft: überall gibt es wilde und gefühlt noch ziemlich intakte und wunderschöne Natur! In den letzten beiden Wochen sind wir große Rumänien-Fans geworden! Obwohl das Ganze doch nur das Ersatz-Programm war…
Am nächsten Morgen peilen wir dann doch einen neuen Punkt an. Von der südlichen Seite auf die spannende Retezat-Überfahrt, so hieß der Plan. Aber: die Donau ist ja (zumindest auf der Karte) nicht weit weg von diesem Punkt! Und nachdem unterwegs noch ein paar Bienenfresser fotografiert werden konnte, rollen wir (fast) am Ufer der sturmgepeitschten (nein, heute nicht der blauen) Donau in Orsova auf einen kleinen Campingplatz. Kurz darauf rollt ein weiterer Camper auf die Wiese. Mit Ludwigsburger Nummer. Die Heimat verfolgt uns anscheinend. Und wie sich gleich darauf herausstellt entsteigen dem Fahrzeug keine fremden Ludwigsburger, sondern bekannte Gesichter aus Bietigheim! Ein Mitpaddler aus dem KCB-Drachenboot und seine Frau! Wir sind sprachlos. Und wenn zur Zeit schon nicht auf der heimischen Enz gepaddelt werden kann, wird eben für morgen eine Bootstour auf der Donau zum Eisernen Tor und dem Donaudurchbruch gebucht.
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