DREIZEHN UNTERWEGS
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Auszeit 2025  ·  27. Mai 2025

Herkules und die Kraft des Wassers

Dann hat unser Boot heute also mal 150 PS, ohne dass wir unsere Muskeln bemühen müssen. Die vier sich zufällig in Orsava begeneten Kanu-Club-Mitgliedern bleiben dem Wasser in jeder Hinsicht und in jedem Gefährt treu, vor allem, wenn es so viel Spektakuläres zu bieten hat wie hier. Wie ein See sieht die Donau an dieser Stelle aus und das hat natürlich mit dem gigantischen Staudammprojekt zu tun, das sich „Eisernes Tor“ nennt. Im Jahr 1956 beschlossen Rumänien und das damalige Jugoslawien nämlich ein kommunistisches Joint Venture der Superlative zur Schiffbarmachung der Donau. Der Donauabschnitt hier an den Banater Bergen galt schon bei den Römern mit  seinen Stromschnellen und Felsenriffen als einer der gefährlichsten. Und stromaufwärts fahrende Schiffe mussten teilweise mit Pferden oder mit der heute noch vorhandenen Bahn direkt am Wasser gezogen werden. Im Jahre 1960 starteten so die Arbeiten an Schleusen und Staumauern, ließen das Dorf Orsava und die Insel Ada Khaled in den Fluten versinken und 1972 war das Werk dann vollbracht. Genau auf diesem somit entstandenen Stausee startet an diesem sonnigen (!) und windigen Morgen unsere Fahrt. Stromaufwärts rechts liegt Rumänien, links Serbien, denn die Donau bildet die natürliche Grenze zwischen beiden Ländern. Hinter uns liegt also das Staudammprojekt „Eisernes Tor“, vor uns der spektakuläre Donaudurchbruch gleichen Namens. Hier hat sich der Fluss seinen Weg zwischen den rumänischen Südkarpaten und den serbischen Donaukarpaten gebahnt und verengt sich auf 160 Meter. Nicht besonders schmal, mag man denken. Verglichen mit den breiten Strömen davor und dahinter trotzdem beeindruckend. Unser Guide hinterm Steuer des gecharterten Motorbootes gibt mächtig Gas, die Gischt schäumt hinter uns, Kapuzen werden gegen den Fahrtwind übergezogen (die meisten verschmähen die extra ausgegebenen Ohrwärmer – nicht schick genug auf den Fotos) und schon bevor wir in die eigentliche Schlucht einfahren wartet das erste Highlight auf uns! Dakerkönig Decebals Kopf blickt in Form eines dreißig Meter hohen in den Karstfels gemeißelten Denkmals über die Donau. Unser freundlicher Guide beherrscht zwar sein Motorboot und bestimmt auch die geschichtlichen Fakten, die er der rumänischen Familie, die mit im Boot sitzt lang und breit erklärt. Für die KCBler aus Deutschland gibt es die englische Fünf-Wort-Version, was der Guide selbst vermutlich am meisten bedauert. Weiter geht es durch die wirklich beeindruckende Schlucht mit bis zu 500 Meter hohen Wänden, hinein in eine Höhle und den Hafen von Orsava. Auf dem Rückweg stromabwärts folgt dann die eigentliche Attraktion! Nachdem alle Sehenswürdigkeiten gezeigt und erklärt sind wird zu arabisch angehauchtem Elektro-Pop richtig Gas gegeben und wie dazumal in „Miami Vice“ schießen wir über die von anderen Ausflugsbooten erzeugten Wellen dahin! Ein absolut lohnender Ausflug!

Vom „Eisernen Tor“ , egal in welcher Version, haben wir noch nicht genug. Darum machen wir uns auf dem Weg zum gleichnamigen Museum, das uns empfohlen wurde. Neben tausend Jahren rumänischer Geschichte soll dort auch die Unterwasserwelt der Donau in Aquarien ausgestellt sein, somit ist auch Jürgen zum Besuch bereit. Erste Überraschung: das Museum befindet sich direkt am Staudamm? Zweite Überraschung: es ist scharf bewacht? Okay. Kritische Infrastruktur in schwierigen Zeiten. Dritte Überraschung: Einfahrt per Aufzug nur in überwachten Trüppchen, wobei sich die Tourguide-Frau zuerst nicht sicher ist, ob wir zu ihrer Reisegruppe gehören und während ich am Eingang noch nachfrage, der Fahrstuhlführer plötzlich Hektik macht und die komplette Gruppe (inklusive uns!) in seinen Aufzug verladen möchte. Wir sind also dabei und dürfen nun die Maschinerie zur Elektrizitätsgewinnung aus Wasserkraft beobachten, was zugegeben allein schon wegen der schieren Größe beeindruckend ist. Und wieder geht´s im Aufzug nach oben. Überraschung Nummer vier: wo ist das Aquarium? Hier auf jeden Fall nicht. Draußen lesen wir nochmal den Namen des Museums, der in riesigen Blockbuchstaben auf der Betonfassade des Werks prangt: MUZEUL PORTILOR DE FIERI steht da und ich denke: das heißt nicht „FIERI“, das heißt „FIER 1“. Und nachdem noch einmal gegoogelt wurde ist klar: im Zentrum des Ortes Drobeta Turnu Severin gibt´s noch ein Museum Eisernes Tor. Das mit dem Aquarium. Und zum Glück sind wir früh aufgestanden und haben ausreichend Zeit. Also machen wir uns in einer wirklich sehr anschaulich gestalteten Ausstellung auf den Weg durch die rumänische Geschichte (wer mal da ist: anschauen!) und Jürgen darf seine Donau-Störe und Donau- Welse begrüßen. Auch hier ist übrigens nichts dem Zufall überlassen: das freundliche Beaufsichtigungspersonal achtet genau darauf, dass die Besucher die vorgeschriebene Reihenfolge der Stationen einhält. Und wer zur Toilette möchte? Bekommt eine Extra-Führung in die Katakomben, denn Werbung für die WCs wird definitiv nicht gemacht!

Und nun? Das Projekt „Retezat-Überquerung“ steht ja noch an! Heute wollen wir es aber nicht mehr wagen, passieren am Ortsrand grandios verfallene Raffinerien und Kraftwerke nebst in deren „Vorgarten“ eingebaute bewohnte Häuschen, schrauben uns in die bewaldeten Hügel hinauf und treffen im ehemaligen Thermal-Badeort Baile Herculane auf etliche Gestalten, die in Bademänteln die Straße hinauf und hinunter flanieren. Was dahinter steckt? Dazu später. Bevor hier gespoilert wird suchen wir erst unseren Schlafplatz für diese Nacht auf. Etwas weiter in den Bergen gelegen handelt es sich hier einfach um eine Wiese mit Obstbäumen, Feuerstelle und fantastischem Ambiente mit Wiesenblumen und beeindruckenden Felswänden. Und mal wieder keiner hier außer der Besatzung der „13“, die noch schnell Reis anbrutzelt um anschließend am gemütlichen Feuerchen dem Uhu zu lauschen. 

Am nächsten Morgen erleben wir rumänische Drive-In Badekultur. Bei oben erwähntem Ort liegen nämlich die Seven Springs, Thermalquellen, die direkt aus dem Berg entspringen. Ursprünglich gab es hier wohl aufwändig gestaltete Bäder, die aber inzwischen dem Verfall preisgegeben sind. Die Bevölkerung aber weiß sich bestens zu behelfen. Am Straßenrand reihen sich die Autos der Badewilligen aneinander, Menschen in Bademänteln flanieren zwischen ihren Autos und den Badebecken, die teilweise dekorativ gefließt in den Fels gebaut sind und teilweise einfach nur Beton-Charme versprühen. Zwischen Autos und Bademänteln quetschen sich ein paar Tischchen mit dem üblichen Honig, Palinca und Gemüse. Aus einem Lieferwagen wird gesottenes Fleisch aus einer großen Wanne heraus verkauft. In den Badepausen liegen und sitzen die Leute in den Kofferräumen ihrer Autos, während der Reiseverkehr lustig daneben und dazwischen herumkurvt. Eintritt für´s Baden wird nirgends erhoben.  Wir steuern gleich die wärmste und hübscheste der Quellen an (32 degrees! wird uns am Straßenrand erklärt), aber auch hier hat man eine Reihenfolge einzuhalten! Eine ebenfalls Bademantel tragende Dame zeigt auf eine Betontreppe: hier geht´s runter! Also starten wir mit 27 Grad, dürfen dann aber nach einem Spaziergang am Straßenrand entlang bei 32 Grad weitermachen und senken den Altersschnitt beim Eintauchen ins nach Schwefel riechende Wasser deutlich nach unten. Nette Dorfplatzatmosphäre zwischen den Einheimischen. Und wo gibt´s jetzt Frühstück? Wir finden eine kleine Kneipe, direkt oberhalb der kleinen Cerna-Klamm gelegen und stellen fest: klassisches Frühstück (Rührei gibt´s eigentlich überall) ist nicht. Der supermotovierte und nette junge Wirt läuft extra in die Küche um zu erfahren, ob die Suppe um 10.30 Uhr schon fertig gekocht ist und spricht seine Lieblingsempfehlungen aus. Für Jürgen gibt´s traditionelle Kuttelsuppe, was mir so früh am Morgen und überhaupt too much ist. Also Gemüsesuppe. Danach ist fast Mittag, also kann weitergemacht werden. Polenta und Schweinefleisch wird als Empfehlung des Hauses ausgegeben, also nehmen wir das. Und weil es so gemütlich ist und es hier deutlich mehr Internet gibt als oben auf dem Berg (dort nämlich nix) nutzen wir die Gelegenheit uns mit lokalen Leckereien bedienen zu lassen (ich sag nur: der fantastische Carrot-Cake) , ein paar Blog-Beiträge zu generieren, PC-Dinge zu erledigen und uns nebenbei noch ein paar Geschichten vom Wirt erzählen zu lassen. 

Von Badekultur haben wir noch nicht genug. Und obwohl die alten römischen Bäder ein Museum sind, fühlt es sich nach Hinabsteigen über die ausgetretenen Treppenstufen an, als hätte man einen Lost Place betreten. Schummrige Gänge, Blinde Spiegel, Wassertropfen platschen irgendwo herunter, überall der intensive Geruch nach Schwefel, immer wieder Blicke durch hohe, gemauerte Türen in die Badegewölbe, Licht sickert durch hoch oben gelegene Bogenfenster. Hier steht die schöne Aphrodite in Stein gemeißelt mitten im Becken, dort Herkules. Nach ihm ist der Badeort Baile Herculane übrigens benannt, denn es wird erzählt, dass besagter Held sich nach seinem Kampf mit der neunköpfigen Hydra hier erholte. Und so taten es ihm die Römer nach und stellten hier einen gigantischen Badepark in die Schlucht. Schade, dass er nicht mehr nutzbar ist, denke ich bei einem Rundgang durch den Ort, bei dem es weitere ehemals opulente, nun verfallene Badehäuser zu besichtigen gibt. Unter der kommunistischen Regierung Ceausescus war alles auf Vordermann poliert worden (klar, vorzeigbarer Prunk und Protz war immer gefragt) um dann ab den Neunzigern komplett zu verwittern.

Spannender Ort, aber noch steht ja unsere Mission „Überquerung des Retezat“ aus. Die wollen wir nun wagen und steuern die treue „13“ in die Hügel hinauf. Egal, wie das Abenteuer ausgehen wird: allein die Fahrt ist es mehr als wert! Neben uns rauscht die Cerna in ihrem Bachbett mal neben, mal weit unter uns: eine malerische Schlucht mit himmelhohen Wänden. Was für eine Kulisse! Die Straße wird zuerst schotterig, dann löchrig, steil und kurvig (bis hierher kein Problem für uns). Kurz vor dem Stausee hat man sich etwas Neues überlegt und den Weg mit Betonplatten in unterschiedlicher Höhe, wahlweise quadratmetergroßen, mäßig zusammenpassenden Pflasterscheinen ausgelegt. Es wird haarig! Wir wissen von einem Paar, das mit kleinem, zweiradbetrieben Mini-Camper sieben Stunden für diese Überfahrt benötigte! Die Strecke beläuft sich auf etwa 25 Kilometer, davon etwa 15 offroad! Ich möchte nicht wissen, wie viele Beziehungskrisen auf dieser Fahrt durchlebt wurden! Obwohl wir vierradgetrieben sind entscheiden wir: bis zum See geht die Fahrt, danach wird umgedreht. Denn auch so ist die Mission erfüllt: wir wissen nun, was sich auf der anderen Seite des Bergzuges befindet und haben mitnichten bereut, hier gewesen zu sein! Erst recht nicht, als wir auf dem Rückweg am Wegesrand eine völlig skurril ausgewaschen Klamm mit steilen Wänden in bizarren Felsformationen entdecken! Wer glaubte, die Schluchten des Verdon oder Nordgriechenlands wären einmalig täuscht sich! Auch Rumänien kann  Steinkunst. Und wie! 

Zwar beginnt es schon wieder ein wenig zu nieseln, aber irgendwie gehört das wechselhafte Wetter schon beinahe zum Programm. Und so wird auf unserer charmanten Obstwiese schnell die Markise ausgefahren und dem anscheinend regenfesten Uhu gelauscht.

Dafür begrüßt uns der nächste Morgen mit Sonne! Und ich spoilere gleich mal: es wird den ganzen Tag kein einziger Tropfen vom Himmel fallen und so haben wir perfekte Voraussetzungen für eine Wanderung in diesem fantastischen Tal. Wir überqueren die rauschende Cerna über eine Brücke und dürfen dann über roh gezimmerte Holzleitern scheinbar bis in den Himmel hinaufklettern (der rumänische Klettersteig!). Und noch weiter steigen wir auf steil ansteigenden Pfaden und entdecken immerhin einige der hier vorkommenden über 1500 Schmetterlingsarten. Wir passieren ganz oben auf dem Berg eine winzige Kapelle nebst dem obligatorischen Friedhof, auf dem die Grabkreuze malerisch im hohen Gras wie zufällig verteilt stehen. Und genießen gigantische Ausblicke auf die zackigen Felsgipfel in die bewaldeten Taleinschnitte. Egal, wo man hinwandert: es ist alles großartig! Die riesige Natur, die freundlichen Menschen und die Entspanntheit, mit der hier alles stattfindet! Rumänien hat zwei Fans mehr!

Im Abstieg überholt uns ein Jeep und wir fragen uns noch, warum die beiden Insassen so herzlich lachen mussten. Kurz darauf wissen wir wieso: an dieser Stelle der Cerna gibt´s keine Brücke, sondern eine Fuhrt, die das Auto mit Sicherheit problemlos passieren konnte. Erinnert sich noch jemand an unsere Wanderung bei Nucsoara, wo immerhin eine Baumstammbrücke existierte? Hier sind andere Fähigkeiten gefragt, also werden Socken und Schuhe ausgezogen und wir balancieren uns über glitschige Steine und durch strömendes Wasser. Und allenfalls der Hosenbund wird nass.

Am Abend entern wir einen neuen Campingplatz in der Nähe von Targu Jiu, denn die nächste Passüberquerung über den Transalpina steht die nächsten Tage an. Auch hier, wie überall, freundliche Besitzer, saubere Waschräume, eine kleine Außenküche und liebevolles Ambiente ohne Brimborium. Wir haben gelernt: das ist normal. Noch ein Punkt für Rumänien! Auffällig die Pfähle, mit denen die Weinreben im angrenzenden Weinberg angebunden sind. Martialische Spitzen ragen in den Himmel. Ob´s mit Vlad, dem Pfähler zu tun hat oder Gleitschirmflieger abgehalten werden sollen? Vermuten Jürgen und unser neuer Schweizer Nachbar im nagelneuen Offroader. Wir bringen es nicht in Erfahrung, verbringen aber einen netten deutsch-schweizerischen Abend mit Standard-on-the-road-Essen: Nudeln mit irgendwas. Kulinarische Kochkunst gibt´s zu Hause wieder!

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