Aufwachen auf dem Transfagarasan-Pass, dem schönsten Schlafzimmer der Region, das Badezimmer wird durch ein munter plätscherndes und eiskaltes Bächlein ersetzt (okay, okay, die empfindlichen Touris stellen es für die Dusche mal kurz auf den Brenner) und die Steinmännchen-Tradition des Verdon lebt wieder auf – felsige Böden! Winkend fährt Schweizerin Nicole die letzten beiden Kurven zum Tunnel hinauf. Ob er inzwischen geöffnet hat? Gerüchte häufen sich, trotz der im Internet immer noch offiziell zu lesenden Terminierung zur Öffnung erst im Juli. Einige Straßenarbeiter sind seit dem Morgen mit irgendetwas dort oben beschäftigt, also könnte was dran sein. Wir frühstücken gemütlich zu Ende, beobachten eine Gruppe schwitzende Radler und (vermutlich in ihrer Kluft ebenfalls schwitzende) Motorradfahrer auf dem Weg zum Pass und stellen fest: keiner kommt zurück. Und so folgen wir ihnen und treffen auf ein Szenario, das ich „Waiting for Transfagarasan“ nenne. In der Sonne schwitzende, inzwischen teilweise oberkörperfreie Zweiradfahrer, zwei bis drei Wohnmobile und die benannten Straßenarbeiter. Geht´s los? frage ich. Gleich, antwortet einer der Radler. Die Arbeiter hätten angekündigt, den Tunnel demnächst zu öffnen. Wir beschließen, unter diesen Umständen einen weiteren Blick auf die uns bereits bekannte Seite zu werfen und eventuell einen kleinen Drohnen-Film mit Camper auf der spektakulären Straße zu drehen. In diesem Augenblick öffnet sich die Tunneltür und es ist wie beim Schlussverkauf. Große Freude und Begeisterung, die ersten Wohnmobile setzen sich in Bewegung. Doch gleich ist wieder Schluss, der Pritschenwagen der Arbeiter wird quer gestellt. Warum? Die Arbeiter sind des Englischen nicht mächtig, wackeln nur mit dem Zeigefinger. Ich zeige ihnen das Uhren-Symbol. Zwei, wird bedeutet. Stunden? Tage? Langsam jedoch sickert das Gerücht und die , , vermutlich passende Information durch: auf der Gegenseite liegen noch Steinbrocken auf dem Weg, die gerade entfernt werde. Fahrräder und Motorräder mit ihren Slalomqualitäten dürfen also passieren, der Rest wartet weiter. Wir nicht, entscheiden wir, schließlich gibt´s auf dieser Seite auch schöne Kurven. Und vor allem: die Bären! Und so verabschieden wir uns, Jürgen jagt die Drohne in die Luft und ich darf die „13“ die Passstraße hinunter fahren. Und wieder hinauf. Und runter und hoch. Und noch einmal. Auch hier Straßenarbeiter, die mit heißem Teer die Schlaglöcher im Straßenbelag zuklecksen und mich vermutlich nach dem dritten Mal zum Teufel wünschen. Doch wirklich Ruhe ist hier ohnehin nicht mehr. Die digitale Buschtrommel scheint bestens zu funktionieren, denn das Verkehrsaufkommen nimmt deutlich zu, kein Vergleich zu gestern. Vor allem die Motorradfahrer scheinen scharf auf das Transfagarasan-Kurvenerlebnis. Und wir? Mal wieder echtes Glück gehabt den letzten „ruhigen“ Tag hier oben erwischt und trotzdem alles mitgenommen zu haben.
Die Bären nehmen wir natürlich auch nochmal mit! Da sitzen drei oder vier am Straßenrand hinter den Begrenzungssteinen, lassen sich vom Wind den Pelz verstrubbeln und sehen aus, als wollten sie ein Bier bestellen. Einer kratzt sich mit seinen langen Krallen an seinem dicken Kopf und zeigt zusätzlich sein Raubtiergebiss. Ganz klar: so possierlich sie hier auch aussehen – es sind wilde Tiere, mit denen im Ernstfall nicht zu spaßen ist! Ich könnte den Tag damit verbringen, die Passstraße immer weiter hoch und runter zu fahren und die Bären anzuhimmeln, aber Jürgen hat inzwischen genug von den Bären und brummt selber wie einer. Schließlich muss man ja auch mal weiterkommen! Meint er. Und so fahren wir alsbald weiter nach Osten, wefen noch schnell einen Blick auf Dracula-Schloss. -Biergarten und -Museum, den Piatra- Craiului-Nationalpark im Visier.
Bevor wir dort aber ankommen holt uns ein Wolkenbruch ein, der sich im wahrsten Sinne des Wortes gewaschen hat! Zuerst wird der Himmer rabenschwarz und dann geht es los! Wassermassen stürzen herab, dass man kaum noch etwas sehen kann. Bäche bilden sich auf der abschüssigen Straße, hoch spritzen die Fontänen der vor uns fahrenden Wagen. Zack, knallt es auf dem Dach: die ersten Hagelkörner schlagen ein. Und immer mehr! Unter einem Baum am Wegesrand suchen wir Schutz, was sich sofort als eine gute Idee erweist. Irgendwann ist der Spuk vorbei und was kommt danach? Eine Landschaft wie aus dem Märchen! Wir passieren spitze, grüne Hügel und kleine Dörfchen, die im Nach-dem-Gewitter-Licht wie gemalt und surreal wirken. Dampfschwaden steigen auf, die in der Sonne zu leuchten beginnen und vor der pechschwarzen abziehenden Gewitterwand wirken die angeleuchteten Häuschen und Felder wie auf eine Leinwand projiziert. Schöner kann roadtrippen nicht sein!
Für die folgenden (gefühlt) einundachtzig Baustellen mit ewig langen Ampelphasen benötigen wir mehr Nerven (Rumänien baut fleißig seine Straßen aus) und schaffen es dann doch irgendwann auf einen Campingplatz in besagtem Nationalpark. Und hier das erste Mal: nicht nahezu leer! Das lange Pfingstwochenende steht an und die Bukarester verbringen es anscheinende gerne in der Natur. Zumindest gefühlt. Denn: Lichterketten, Profi-Küchenequipment, allerlei lärmendes Werkzeug, künstliche Fackeln, Grills, Hängematten, wegen startender Klimaanlagen warm laufende Autos und ein Dutzend Hunde sind mit an Bord . Anscheinend waren wir bisher in einer Blase von Mitreisenden mit ähnlichen Vorstellungen unterwegs. Vielleicht ganz gut, wenn sich die Realität mal wieder ein wenig zurechtrückt? Immerhin kommen Sommer und Urlaubssaison langsam näher und das bis dato luxuriöse Reisen könnte etwas herausfordernder werden. Zwei bekannte Gesichter finden wir aber doch! Das holländische, in Ungarn lebende Paar, das wir vom Campingplatz in Sighisoara her kennen. Sie sind uns reisetechnisch immer einen Schritt voraus, was sich für uns als Glücksfall erweist. Denn so können sie uns lohnende Ziele uns Locations zufunken.
Einen Ausflugstipp setzen wir gleich am nächsten Morgen um: die Zarnesti-Klamm! Zweihundert Meter hohe Wände gilt es zu durchwandern. Auch hier wird vor wilden Bären gewarnt mit dem Rat, möglichst viel und laut zu reden, sich so bemerkbar zu machen und den Bären die Gelegenheit zu geben, sich aus dem Staub zu machen. Wir halten uns an den Tipp und begegnen später einem allein wandernden Rumänen, der die ausgegebenen Sicherheitsempfehlungen bestens umgesetzt hat. An seinem Wanderstiefel befestigt eine sogenannte Bärenglocke, die bei jedem Schritt klingelt, mit der Hand umklammert er eine Dose Pfefferspray. „I´m walking alone“, sagt er und erinnert uns an Marcos aus Brasilien. Wir walken nicht alone und hängen an den sehr komfortablen, touristischen Pfad noch einen (vermeintlich) kurzen Wegkringel an, der ab hier mit einem roten Kreuz markiert ist. Will uns dieses Zeichen etwas sagen? Denn nun befinden wir uns plötzlich in einer engen steilen Klamm. Und nicht nur das Wasser von oben (der Regen ist unser ständiger Begleiter) vermittelt den Eindruck, unversehens an einer Canyoning-Tour teilzunehmen. Auf matschigen, abschüssigen Rutschbahnen geht´s bergab, Bäume und spitze Felsbrocken dienen dem Halt. Etliche Male wird ein Bächlein über glitschige Felsen gequert, kleine Kletterpartien finden ebenfalls statt. Jetzt das sonnige Wetter vom Morgen dazu, dann wäre das eine herrlich erfrischende Tour. So erfrischt uns der Regen, das Baden und Plantschen sparen wir uns derweil. Und kommen, einige Zeit später, schlammig und zufrieden zurück auf den gekiesten Touristenweg. Und da es immer noch regnet, stellen wir nur kurz unser Auto am Campingplatz ab, wandern einmal über die Landstraße und bestellen im nahegelegenen Hotel die traditionelle Speisekarte hoch und runter! Beste Empfehlung, alles schmeckt lecker und die Nachtischkarte kann sich sehen lassen! Ganz nebenbei versuchen wir, den immenesen Stapel glitschiger rumänischer Geldscheine loszuwerden, die kaum mehr ins Portmonnaie passen wollen. Ich sage nur: der wunderschöne Ein-Lei-Schein. Wert: zwanzig Cent!
Kommentar schreiben