DREIZEHN UNTERWEGS
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Auszeit 2025  ·  20. Juni 2025

Heiß und staubig - zurück nach Rumänien

Moldawien ist bekanntlich klein, weswegen man, um etwas zu erleben nicht unbedingt gleich den Ort wechseln muss. Und so genießen wir den ausgesetzten Platz an der Bergkante einfach ein paar Tage länger, fühlen uns beinahe wie zu Hause und frequentieren den bereitgestellten Grill einmal für Würstchen mit echtem, schwäbischen Kartoffelsalat (was das „Wir-fühlen-uns-zuhause-Gefühl“ noch verstärkt). Ein zweites Mal finden wir im erstaunlich gut ausgestatteten Supermarkt (was hatten wir eigentlich erwartet?) tolle Makrelen und nutzen (Nummer drei) die Restwärme der Glut zum Walderdbeermarmelade kochen. Hart erkämpfte Walderdbeermarmelade übrigens, denn der Ehemann befand es zu Anfang nicht für nötig, die Wanderung für das Holen eines Gläschens aus dem Auto zu verlängern. Klar, auf Grund von Erdbeer-Allergie hält sich die Begeisterung wahrscheinlich in Grenzen, aber die Menge an überraschend großen und reifen Früchten auf der Waldwiese (die wegen Bandwurmgefahr lieber nicht roh gegessen werden sollten) konnte nicht einfach so ignoriert werden. Und das Ergebnis: fünf Sterne! Mindestens! Hat sich also gelohnt. Und so nehmen wir (mal wieder schweren Herzens, aber das heißt ja auch, dass es schön war) mit Marmelade im Gepäck Abschied. 

Die Hauptstadt Chisinau passieren wir zwar, kehren aber nicht dort ein. Der Mann möchte heute keine chaotische Großstadt erleben. Und da das Chaos schon auf den Umgehungsstraßen tobt und am Horizont aufragende eher unschöne Plattenbauten locken (oder auch nicht) lassen wir diesen Hotspot aus und konzentrieren uns auf das Dracula-Hörbuch, das sich langsam, aber sicher dem Showdown nähert. Passend übrigens, denn schon bald werden wir das Donaudelta, die Stadt Galati und den Fluss Sereth passieren. Genau hier soll der fiktive Dracula das wackere Trüppchen um Professor van Helsing in die Irre geführt haben, indem der die Kiste mit Heimaterde und seiner eigenen Wenigkeit drin an diesem Ort abliefern ließ. Und nicht, wie behauptet, im bulgarischen Warna. So konnte er (zumindest kurz) entkommen. Den Fluss Sereth mit Ruderbooten oder Dampfschiffen bis hinauf nach Bistritz zu schippern wäre allerdings in Wirklichkeit nicht möglich, dieses Szenario entspringt Stokers Fantasie. Obwohl noch in Moldova unterwegs, können wir unsere Eindrücke schon mal Revue passieren lassen und gleichzeitig neue sammeln. Endlose Nussbaumalleen durchfahren wir, die meisten davon in den siebziger Jahren gepflanzt. Die im Osten Europas überall anzutreffenden Straßenhunde sind hier so gut wie nicht zu entdecken. Warum, fragen wir uns. Wir wissen nicht, ob (wie z.B. in Tbilisi) ein Sterilisationsprogramm dahinter steckt oder ob sich die Population auf Grund der wenig vorhandenen Touristen (und deren fälschlicherweise wohlmeinenden Futtergaben) erst gar nicht so ausufernd entwickelt. Kunterbunte und vielfältige Vogelpopulation konnten wir dafür beobachten. Die von Schwägerin Bettina empfohlene und wirklich fantastische „Merlin-App“ spuckte immer wieder Überraschendes aus. Eine Begegnung mit drei jungen Moldawiern bleibt ebenfalls im Gedächtnis. Eigentlich auf der Suche nach einem Ladekabel für´s I-Phone  hatten sie uns auf dem Campingplatz angesprochen (also ganz typische Jugendliche). Und zwar in einem mehr als guten Englisch. Als sie erfuhren, dass wir aus Deutschland kommen, packten sie sogar ein paar Brocken deutsch aus. Woher? frage ich. Englisch wäre in der Schule die erste Fremdsprache, deutsch die zweite, wird berichtet. Und alles das sehr selbstbewusst und trotzdem sehr höflich. Es ist deutlich zu merken, dass sie stolz darauf sind, mit diesen Sprachen so weltgewandt zu sein und zeigen zu können, was sie gelernt haben. Das Bewusstsein, mit Bildung und Fleiß ein „besseres“ Leben erreichen zu können ist klar vorhanden. Denn obwohl die Menschen auf den ersten Blick optisch nicht anders aussehen als in Deutschland ist der Standard natürlich deutlich niedriger. Ähnliche Eindrücke berichten übrigens auch andere Moldawien/ Rumänien-Reisende. Hier ist eine deutliche Aufbruchstimmung und Ärmel-hoch-Atmosphäre mit ganz viel energiegeladener Motivation vorhanden. Als sich die drei verabschieden zeigt auch die Jüngste, vielleicht sechs Jahre alt, dass sie mithalten kann und grüßt ebenfalls in feinstem Englisch. Und mit Englisch kommen wir bei der jungen und mittleren Generation auch sonst hervorragend zurecht. Hat man mit älteren Menschen zu tun, sei geraten neben einem Dank („multumesc“) und den üblichen Grüßen folgende Vokabeln auf Lager zu haben: „sportiv“ und „Tourist“. Damit ist alles erklärt, was die beiden seltsamen Reisenden mit ihren Booten auf dem Autodach in der trockenen und hügeligen Landschaft verloren haben. Sei es beim alten Mütterchen, das freudig verstehend Tipps zu empfohlenen Wanderwegen in die entsprechenden Richtungen fuchtelt oder beim Fahrer eines historischen Treckers auf dem Weg zur Feldarbeit. Nach anfänglicher Ratlosigkeit angesichts unseres Camps mitten in der Wildnis hellt sich sein Gesicht plötzlich auf: „AAAH! Tourist!“

Das Erreichen unseres neuen Schlafplatzes erfordert an diesem Nachmittag viel Gerumpel! Hoch über Moldovas Hügeln und Feldern finden wir einen traumhaften Platz mit im Wind wogender Wiese und schattigem Weidenbaum. Hier baumelt die Seele. Zumindest so lange, bis nach einem Sonnenuntergang wie aus dem Bilderbuch die Stechmücken aus den Grashängen aufsteigen. Fest entschlossen, das Panorama weiter zu genießen, wedeln wir noch eine ganze Weile mit unseren Sitzkissen. Jürgen gibt als erster auf, ich halte noch etwas länger durch. Doch irgendwann hisse auch ich die weiße Flagge und flüchte ins Auto. Und zwar schnell genug, dass keine einzige Stechmücke mit hineinschlüpft. Hier widmen wir uns der Lektüre des in Sibiu gekauften Buches „Tatsächlich Transsilvanien“ – eine oberbayerische Familie zieht nach Siebenbürgen um. Und passenderweise behandelt das aktuelle Kapitel den rumänischen Ackerboden. „Gestaltwandler“ wird er hier genannt. Bei Trockenheit verhält sie sich wie ein Wüstenboden, der beim bloßen Anschauen zu Staub zerfällt (als hätte man einen vergessenen Vampirsarg ans Tageslicht befördert), während er sich bei Regen vollsaugt, wie ein Schwamm und sozusagen sofort den Aggregatszustand zu fruchtbarer Muttererde wechselt.Auch wenn wir hier nicht in Rumänien sind, in Moldova scheint es sich ähnlich zu verhalten:  wir erwischen die Staub-Saison! Alle Feldwege und Nebenstraßen wirken wie die Wüste Sahara; die sich auf fünfunddreißigeinhalb Grad aufheizende und um die Mittagszeit flirrende Luft verstärkt den Eindruck. Haben wir uns jemals über Regen und Kälte beschwert? Die Fahrzeuge auf der Gegenspur wirbeln kilometerhohe, hellbraune Wolken gen Himmel, meistens schaffen wir es noch rechtzeitig, die Fenster nach oben zu fahren, aber bald hat man das Gefühl, der Staub knirscht und klebt in allen Ritzen! 

„Lacul Manta“ lesen wir. Kurze Pause am Manta-See wäre willkommen. Und natürlich gibt es hier keine Mantas (ist ja kein Meer), dafür steigen Wolken von Glanzibissen in den Himmel, die allgegenwärtigen kunterbunten Bienenfresser sitzen auf den Stromleitungen, Sturmmöwen jagen platschend Beute im Wasser und Heerscharen winziger Fröschlein sind auf der Flucht vor uns. Auf der am Ufer entlangführenden Bahnlinie stehen Kühe. Wir hoffen, dass nicht allzu viele Züge entlangkommen. 

Ursprünglich hatten wir in der Nähe einen Campingplatz ausgesucht, um die tägliche Fahrzeit in Grenzen zu halten. Dieser präsentiert sich aber so kahl und trostlos, in der Affenhitze ohne jeglichen Schatten, dafür im Nebengebäude mit einem Tiergefängnis: Hühner, Hund und zwei Zebras (?!?) hinter Gittern auf dem Asphalt, dass wir lieber das Weite suchen. Und zwar so weit, dass wir im Dreiländereck Moldova-Ukraine-Rumänien die Grenze überschreiten und uns Richtung Donau auf den Weg machen. Zurück in Rumänien für ein paar Tage und fast fühlt es sich an wie nach Hause kommen! Wir durch- und überqueren das oben benannte Galati und den Fluss Sereth und dann die mächtige und breite Donau auf ihrem Weg zum Schwarzen Meer. Ein riesiger Handelshafen zieht sich über mehrere Kilometer an der Wasserstraße entlang. Und auch sonst ist hier plötzlich alles in XXL: Sonnenblumen- und Lavendelfelder und vor allem die Getreideäcker. Von Horizont zu Horizont erstrecken sie sich: die Kornkammer Rumäniens. Hier auf den hügeligen bis ebenen Landstrichen ist einfach Platz! Sogar die allgegenwärtigen Pferdekutschen sind mit Stroh überladen, auf dem es sich die beiden Bauern gemütlich gemacht haben, während das tapfere Pferdchen in der Mittagshitze dahin zockelt.

Auch wir zockeln mit Kamikaze fahrenden LKW und PKW-mit-Motorbootanhänger Richtung Murighiol und kommen endlich staubig, verschwitzt und hungrig auf dem Platz von Nina und Dan an (Tipp von“ Gaby-Camping-Ananas“ – auch die Reisekontakte müssen irgendwie kategorisiert werden). Der Empfang ist herzlich und gleich (noch vor Essen und Duschen) melden wir uns bei Dan für eine Pelikantour an. Ebenfalls eine heiße Empfehlung!

Pünktlich um fünfuhrfünfundvierzig (!!!) am nächsten Morgen treffen wir uns mit einigen anderen Campingplatzbesuchern und dürfen kurz darauf Dans motorisierte Barke besteigen. Los geht´s in die aufgehende Sonne. „Donau“, erklärt Dan, als wir den Nebenarm mit dem kleinen Hafen verlassen. Was zwar stimmt, aber nicht ganz so eindeutig ist, wie es klingt. Vielmehr handelt es sich um den St.-George-Arm, den südlichsten Mündungsarm der Donau, der zusammen mit dem Chiliaarm und dem Sulinaarm das Donaudelta bildet. 64 Kilometer sind es von hier aus noch und die „Hauptdonau“ mündet in der Ukraine ins Meer. Weiterhin gabelt sich der Saint-George-Arm und umschließt in einem Viereck den Lacul Murghiol und ein weitläufiges Schilfgebiet samt grandioser Vogelpopulation. Schon nach wenigen Minuten ist klar, dass wir mal wieder einen Volltreffer gelandet haben (danke, Gaby 😊!). Auf einer Sandbank tauchen im Morgenlicht die ersten Silhouetten der Pelikane auf. Wie urzeitliche Pteranodons stehen sie majestätisch im umspülenden Wasser und lassen sich von unserer Barke kaum stören. Und Dan hat es  wirklich drauf! Er kennt die Plätze, an denen die Vögel sitzen, drosselt rechtzeitig den Motor und lässt sich langsam herantreiben, um die Tiere nicht zu stören. Ich als absoluter „Pelikane- in-freier-Natur“-Fan weiß, wie scheu sie sind und wie schwierig es ist, nahe genug heranzukommen, um sie gut zu beobachten oder sogar fotografieren zu können. Und nun sind wir uns Auge in Auge gegenüber! Riesig wirken die Vögel, wie sie uns versonnen hinterher schauen. Und es sollen nicht die letzten Pelikane gewesen sein! Vier Stunden lang werden wir durch schilfbewachsene Kanäle und durch riesige, blaue Seen geschippert und entdecken auf dem Wasser, den aus den Fluten aufragenden Totgehölzen und den endlosen Seerosenteppichen in weiß und gelb nicht nur Pelikane, sondern auch Rallenreiher, Nachtreiher, unzählige Seeschwalben, Drosselrohrsänger, eine Blauracke (in Farbe und Größe einer der spektakulärsten Vögel Europas), Blesshühner jeden Alters, Glanzibisse und – ganz am Ende noch als Highlight – sogar zwei Seeadler! Die Pelikane bleiben jedoch meine Favoriten! Dans Lieblingspart wiederum scheint gekommen, als wir einen schmalen mangrovenartigen Flussarm verlassen und auf eine weite blaue Wasserfläche einscheren. Nun darf das Bootchen mal zeigen was es kann! Mit ordentlich Karacho legt Dan los. Doch gleich ist wieder Schluss. Erst nach gekonntem Wendemanöver wird klar, warum: das Käppi des Kapitäns wird aus dem Wasser gefischt, verlegen zuckt er die Schultern und schon kann das Manöver wiederholt werden. Hunderte von Blesshühnern verschwinden erschrocken zwischen den Seerosen. Immerhin erklingt hier keine Miami Vice Musik wir dazumal am Donaudurchbruch. Als der ganze Spaß vorbei ist sind wir uns einig: jede Minute der im Handumdrehen verflogenen vier Stunden hat sich gelohnt! Und beim Einlaufen in den kleinen Hafen beglückwünschen wir Dan (und uns) zum Aufbruch zu derart früher Stunde! Denn hier kommen uns Dutzende von Motorbooten mit Langschläfer-Ausflüglern entgegen! Die sich vermutlich gegenseitig die Vögel verjagen… Damit auch alle anderen etwas von diesem Ausflug haben, folgt nun eine kleine Flut von Bildern. Sorry, da müsst Ihr durch, denn Pelikan-Bilder KÖNNEN nicht gelöscht oder unterschlagen werden! Wer von Euch ist noch Team Pelikan? Zurück am Platz wird natürlich gleich gefrühstückt und um den tollen Ausflug noch zu toppen tauchen am Himmel über uns plötzlich einige Pelikane auf und ziehen über unseren Köpfen ihre Kreise. Dutzende zuerst und dann werden es immer mehr und mehr! Mindestens hundert! Was sie da oben treiben? Wir wissen es nicht. Bald verschwinden sie am Horizont und es ist klar: Pelikane kann man nie genug zu sehen kriegen!

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