DREIZEHN UNTERWEGS
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Auszeit 2025  ·  11. Juli 2025

Land der Träume

Kappadokien, eine Gegend wie aus einem Märchen oder einem Traum! An drei aufeinander folgenden Tagen wird um vieruhrdreißig (!!!) aufgestanden, um Ballons anzuschauen und nie, wirklich nie! fängt es an, langweilig zu werden! Das Wachsen der noch farblosen Ballonhüllen im grauen Morgenlicht, das Leuchten und Blinken der Feuer, das Auftauchen der Farben, das Aufsteigen der Ballons in den Morgenhimmel, die bunten, wie aufgehängt wirkenden Punkte am Himmel, die höher steigende Sonne, die den Anblick von Minute zu Minute verändert! Alles wirkt wie ein Märchen. Oder wie ein Windows-Bildschirmhintergrund, wie von einer Seite befunden wird. Manchmal wirkt das Leben halt wie ein Computerspiel! Oder besser! Mit einem anderen Märchen kann übrigens aufgeräumt werden: die meisten Stimmen behaupten, auf den Felskanten an der „Göreme-Seite“ hätte man den besseren Blick auf das Spektakel und „die Ballons ziehen direkt über einen hinweg“. Stimmt nicht. Oder stimmt nur bedingt. Denn natürlich sind die Windverhältnisse nicht jeden Tag gleich. Und die Ballons starten auch nicht nur im Tal unterhalb von Göreme auf, sondern auch auf den umliegenden Höhen. Heißt: Garantien gibt´s keine und (in unserem Fall): an Tag eins war eher das „Ballon-Panorama“ zu sehen, das von JEDEM Platz aus grandios ist. Manch einer bevorzugt sogar den Anblick des Ganzen von unten vom Parkplatz, aber das ist Geschmackssache.

An Tag zwei und drei hatten wir Panorama UND die über uns hinwegziehenden Ballons: inklusive Tiefflug, rhythmisch betriebene Grußbefeuerung  des Piloten und  gebrüllte Aufforderung: „Come in!“ Man sieht also, auch auf der gegenüber der allgemein favorisierten Aussichtsplattform ist alles vorhanden, was man sich so wünscht. Minus übergroßes Spektakel. Hier fanden sich jeweils nur sehr wenige Leutchen ein. 

Spannend übrigens auch der „Abbau“ nach Beendigung der Flüge. Die meisten Ballons landen relativ gleichzeitig. Im Tal wird es routiniert geschäftig. Pick Ups mit flachen Hängern rasen über die zahlreichen Hügel in Richtung „ihres“ Ballons, vier Menschen Personal springen heraus und zerren und schieben den Korb direkt auf die Plattform des Hängers. Mit noch aufgestelltem Ballon wird dann meist ein paar Meter weitergefahren, um den nötigen Raum zu haben, die Ballonhülle zu Boden zu lassen. Die Insassen dürfen sitzen bleiben, Applaus brandet auf. Erst jetzt zieht das Bodenpersonal die Hülle mittels Seilen zu Boden. Und dann beginnt das Zusammenlegen und Aufräumen. Um spätestens acht Uhr ist der ganze Traum wie durch Zauberei verschwunden, die Sonne steigt höher und die Sommerhitze Kappadokiens hält Einzug. Danke Jenny für den solarbetriebenen Wackelkaktus, der für das passende Ambiente sorgt und der tatsächlich noch ein Plätzchen im (nur beinahe) überladenen Camper finden durfte!

Was unternimmt man nun aber, wenn der Ballontraum vorüber ist? Man erkundet die spektakulären Tuffsteinlandschaften Kappadokiens. Schon von hier oben sichtbar, gibt es hier so viele davon, dass es mich fast schon überfordert! Die skurrilen Steingebilde in Farben von grau, beinahe weiß, fast schon hellblau und rosa reihen sich über Kilometer hinweg an teilweise grandios engen Schluchten entlang, in den Stein eingebaut die ehemaligen Wohnhöhlen, Klöster, Kirchen, Grabkammern und Taubenschläge in oft schwindelerregenden Höhen. Hier müssen sich unvorstellbare Gerüst- und Leiterkonstruktionen befunden haben. Das Ganze wirkt wie eine von einer verrückten KI entworfene Kulisse für eine Netflix-Fantasy-Serie. Ist aber echt! Unglaublich, was die Natur alles bauten kann! 

Vor etwa zwei bis neun Millionen Jahren waren die Vulkane Erciyes Dagi, Hasan Dagi und Melendiz Dagi hier aktiv und spuckten große Mengen Asche, Lava und Tuff aus. Tuff ist ein relativ weiches Gestein, das sich gut bearbeiten lässt. Die vulkanische Asche lagerte sich in mehreren Schichten ab, teilweise wurden härtere Basaltschichten dazwischengeschoben. Über Jahrtausende haben Wind, Regen und Temperaturwechsel das weiche Tuffgestein abgetragen. Härtere Gesteinskappen schützten die darunter liegenden Säulen und so entstanden die Feenkamine, Zinnen, Pilzformen und andere skurrile Felsformationen. Schon vor über dreitausend Jahren begannen Menschen, einfache Wohnhöhlen in das Tuffgestein zu schlagen. Ab dem vierten Jahrhundert suchten Christen in Kappadokien Schutz vor zuerst römischen, später arabischen Invasoren. Sie schufen zum Teil riesige unterirdische Städte, aber auch oberirdische Wohn- und Kultstätten.  Die Nutzung der Höhlen setzte sich in der byzantinischen Epoche im elften bis dreizehnten Jahrhundert fort. Viele Klöster wurden in dieser Zeit zu bedeutenden religiösen Zentren.

Allein die Menge der Bauten, die sich in dieser Steinlandschaft befinden, kann kaum erfasst werden! Großstadt trifft das Ganze wohl am besten. Wir wandern Stunden die Rosenschlucht entlang und es nimmt kein Ende! Besonders fallen uns  halbrunde Löcher auf, die in großer Zahl meist weit oben innerhalb der Kammern in die Wände geschlagen sind. Wie kleine Regale oder Schänke sehen sie aus? Ablagen für Gerätschaften oder Heiligtümer? So richtig schlüssig ist es nicht. Die Erklärung liefert mal wieder Hermine: es waren Sitzplätze für Tauben, die sowohl zu Nahrungszwecken (Eier, Fleisch) als auch zum Düngen der Gärten (ihr Kot) gehalten wurden. Viele sehr gepflegte private Gärten und Weinberge sind auch heute noch zwischen den Felsen erhalten. 

Einen davon finden wir beinahe am Ende der Rosenschlucht. Hier wird ein unglaublich nettes kleines Cafe betrieben. Mit Blick auf Gärtchen und Felsen sitzt man unter Strohdächern und bekommt nebst dem obligatorischen türkischen Tee frisch gepressten Saft und türkisches Käsesandwich serviert. Auch hier ist nicht sehr viel los, außer uns eine kleine Wandergruppe und ein junges Pärchen. Das nach Konsumieren der Getränke feststellt, dass Kartenzahlung in einer Schlucht ohne Internet eher nicht funktioniert. Kein Problem für unseren Wirt. Er winkt ab und möchte die irgendwie in allen Hosentaschen zusammengekratzten vier Euro nicht nehmen. Ansonsten ist er trotz schon fortgeschrittenen Alters flott im Laufschritt zwischen seinem Tresen mit Saftpresse, seinem Spülbecken in der Felswand und einem in den Stein eingebauten Raum mit (vermutlich) einer kleinen Küche unterwegs. „Five minutes!“ ruft er nach jeder Bestellung und so kommt es dann auch. Wir bleiben, weil es so gemütlich ist, noch sitzen, nachdem alle anderen Gäste gegangen sind. Und haben einen längeren Schwatz (gut, dass wir so früh aufgestanden sind und darum jede Menge Zeit haben) mit dem Wirt, dessen Kumpel der Besitzer des Cafes ist. Er selbst ist ebenfalls reisefreudig und war schon viel in Europa unterwegs. Plötzlich springt er auf und blickt suchend in den Himmel. Sein Sohn, erklärt er. Arbeitet in der Stadt Ortahisar und hat mal eben seine Drohne rübergeschickt, damit Papa ihm zuwinken kann. Und wir sind einmal mehr bestätigt: so wirklich Sorgen machen müssen wir uns nicht, hier unsere Drohne fliegen zu lassen. Interessiert keinen, zumindest solange es nicht ausufert. 

Wir bekommen noch ein paar Tipps mit auf den Weg: unbedingt sollen wir in Ortahisar essen (der Name des Restaurants wird zum Abfotografieren in den Sand geschrieben) und den Rückweg über Sword Valley nehmen. Diesen Tipp gab er auch schon der Reisegruppe vor uns, aber deren sportliche Fähigkeiten hat er vermutlich nicht ganz richtig eingeschätzt, denn die Schlucht stellt sich als eine (für uns) spannende Herausforderung, für andere aber doch als ein wenig überfordernd dar. Die Gruppe hat also wieder umgedreht. Denn die Felswände stehen nicht nur eng und immer enger beieinander, es muss auch geklettert oder über wenig vertrauenserweckende Leitern hinuntergestiegen werden. Niemand da also, außer wir! Am Ende des Canyons wartet die in den Fels eingebaute Kirche der Schwerter mit diversen Höhlenklöstern. Um das Ambiente komplett zu machen, zieht im Hintergrund eine Kamel-Karawane dahin.

Ein wenig anders präsentiert sich uns am nächsten Tag Love Valley (keine Ahnung, warum es so heißt, sind doch nur pilzförmige Feenkamine zu sehen): deutlich weniger eng, kalkweißer Fels, wellenförmige Wände und auch hier Wüstenklima: die steilen Hänge speichern die Hitze und strahlen sie ins Tal ab. Gut, dass unser Ziel Uchisar heißt.

Auf einem Bergkegel ragt eine durchlöcherte Höhlenburg auf, die als charakteristischster Punkt von fast überall her sichtbar ist. Und natürlich kann man sich auch hier, diesmal in einem Cafe direkt in der Felswand mit diversen Getränken und (was auch sonst?) mit dem allgegenwärtigen türkischen Tee erfrischen. Ohne ihn geht hier nichts!

In einem ebenfalls in den Fels eingebauten Hotel essen wir später und (da der Rückweg zum Auto für diesen Tag zu weit ist) fragen dort auch gleich nach einem Taxi, zurück zur „Moonlight Horse Ranch“ (Ausritte sind bei den Touristen nebst Quad-, Jeep- und Höhergelegte-Caddillac-Touren sehr gefragt). Kein Problem, meint der Chef, ein Taxi kostet für diese Strecke dreihundert Lira, sein junger Angestellter (der kaum Englisch spricht und darum der Konversation nur mäßig folgen kann) wird uns für zweihundert fahren. Im Auto wird erstmal der Dummy aus dem Gurtstecker des Beifahrersitzes gezogen und los geht´s durch Downtown Göreme. Oder Las Vegas? Hier steppt der Bär: prächtige Hotels, riesige Restaurants, Discotheken, Spa-Gebäude und das übliche Verkehrschaos. Alles leuchtet und blinkt und macht Krach! Von unserem Berggipfel aus definitiv schöner (und leiser). Am Ziel angekommen weiß unser junger Fahrer offensichtlich nicht, was sein Chef mit uns ausgehandelt hat. Wir sollen geben, was wir wollen. Wir geben dreihundert, was immer noch weniger als zehn Euro sind…

Ein Ausflug der besonderen Art führt und am nächsten Morgen nach Ürgüp. Denn auch wenn unsere Reisewaschmaschine (der Beutel mit den Noppen) ganz gut funktioniert: für die Bettwäsche reicht er nur mäßig aus. Weswegen wir in besagter Stadt eine kleine Wäscherei auftaten, die rund um die Uhr (?!?) geöffnet haben soll. Münzwaschen, denke ich mir. Stimmt aber nicht. Der Besitzer ist jederzeit (!) per WhatsApp erreichbar und lässt die Waschmaschinen von Mutter und Partnerin bedienen. Schon gestern hatten wir also Bettwäsche (zwei Garnituren mitzuführen war eine der besseren Ideen) und Sonstiges, inklusive unfassbar schmutziger Wandersocken, ist mir fast ein bisschen peinlich) dort abgegeben. Drei Stunden später war´s fertig, aber bekanntermaßen befanden wir uns ja bis spät in Uchisar. Kein Problem, Ügrüp Laundry Service ist flexibel und jederzeit erreichbar. Morgens um 10.00 gibt´s sogar Frühstück! Mama Ügrüp Laundry hat Hefeschnecken gebacken – und natürlich gibt´s …. türkischen Tee! Und von mir später fünf Stern in der Google-Bewertung! Denn nicht nur sind die Socken super sauber und paarweise zusammengelegt, auch der Rest ist picobello! Und so gondeln wir weiter, den Tipp des Cafe-Wirts von Rose Valley befolgen: essen in Ortahisar. Um den Hunger nach dem Wäscherei-Frühstück anzukurbeln, besteigen wir ein weiteres Höhlenschloss, das mitten in der Ortschaft aufragt, sehr spektakuläre Ausblicke bietet und beinahe ein noch spektakuläreres Sicherheitskonzept! Denn der brüchige Sandstein scheint sich mit den Jahren aufzulösen. Zahllose Klammern sind in den Tuff getrieben und das beste: mit Drähten verbundene überall sichtbare Sensoren melden (hoffentlich) wenn die Risse in den Wänden anfangen, noch weiter auseinander zu klaffen! Wir fühlen uns also gut beschützt, essen leckere Hausmannskost im empfohlenen Kneipchen uns während ich ein paar unerlässliche Dinge einkaufe (Käsebrettchen, Obst, Überdecke gegen Staub auf dem Bett) steht für Jürgen ein Besuch beim örtlichen Barber an, denn die Haare wuchern schon wieder! Tatsächlich finden sich Hairdresser für Männer an jeder Ecke, aber wo lassen sich die Frauen frisieren? Das muss ich demnächst herausfinden. Jürgen immerhin ist bestens aufgehoben, es gibt (natürlich!) Tee, eine Handrasur mit dem Messer, Ohren- und Nasenhaare werden akribisch mit einem brennenden Wattestab ausgebrannt (keine Sorge, nur die Haare, der Rest ist unversehrt!) und hinterher sitzt jedes Haar! Ich darf (mit Tee!) vor dem Barbershop warten und hinterher gibt´s ein weiteres langes Schwätzchen mit Jürgens neuem Kumpel Parkplatzwächter Murat und einigen der älteren Herren, die üblicherweise in kleinen Städtchen so vor den Läden herumsitzen.

Und nigelnagelneu besichtigen wir die bei 37 Grad Außentemperatur die sehr angenehm temperierte unterirdische und fast dreitausend Jahre alte Stadt Kaymakli. Mehrere Stockwerke ist sie hoch (oder eher tief), eine echte Großstadt und nichts für Klaustrophobiker mit ihren teilweise sehr engen und niedrigen Gängen, Kammern, Kirchen, Küchengemächern und käseförmiger Durchlöcherung. Riesige Mühlsteine stecken in den Rinnen an verschiedenen Durchgängen. Hier konnte bei Gefahr im Verzug (die oben erwähnten Invasoren) alles in Nullkommanichts dichtgemacht werden! Beim Verlassen des unterirdischen Labyrinths (die Pfeile haben durchaus Berechtigung) schlägt uns die Hitze entgegen. 

Weiter geht´s Richtung Ilhara. Noch mehr Höhlenbauten im Tuffstein, aber ohne Ballons! Die Landschaft wirkt wie in Arizona. Rote, zerklüftete Felsen zwischen flachen Ebenen. Oberhalb einer Felskirche finden wir auf einer steinigen Ebene einen Stellplatz mit Aussicht ins Tal. Ein Wassertank (vermutlich für Schafe) steht hier. Sonst ist nichts und niemand zu sehen. Und nun kommen wir zu einer kürzlich gestellten Frage (und was sonst manchmal so passiert): wie findet Ihr immer die tollen Wildcamping-Plätze? Unterschiedlich, sagen wir. Am besten sind meist die Tipps von anderen Reisenden (also immer mit jedem quatschen), Park4Night spuckt alles zwischen meeega und furchtbar (Parkbucht am Straßenrand) aus, weswegen es Sinn macht, die Satellitenansicht von GoogleMaps hinzuzuziehe, die auch sonst gute Hinweise auf Landschaftsbeschaffenheit bieten kann. Und einfach Augen auf und losfahren. Unser erhöhtes 4x4-Fahrwerk mit Unterbodenschutz macht natürlich auch so manches möglich. Und wie war´s heute? Netter Platz! Aber: zu Sonnenuntergangsstunde taucht plötzlich zeitgleich mit einer Staubwolke im Tal ein bellender Schäferhund auf. Vermutung: in wenigen Minuten wird es hier von Schafen und Staub nur so wimmeln. Der Schäfer hätte wahrscheinlich kein Problem mit uns (freundlich Grüßen auf Türkisch ist hier ein wahrer Türöffner), aber wollen wir dieses Ambiente direkt neben dem Esstisch? Ein bisschen Hin und Her, dann die Entscheidung: nö! Und es stellt sich heraus: selbst wenn der Tisch gedeckt und das Camp aufgeschlagen ist – gepackt sind wir in fünf Minuten! Teekessel im Fußraum, Mahlzeit in Spülschüssel auf dem Schoß! Wir rumpeln die Hänge hinunter und landen – Glück muss man haben – auf einem (beinahe) flachen Felsareal direkt neben spannenden Steinformationen. Inklusive Schildkröte und Goldschakal!  Auf der fernen Bergstraße fährt an diesem Abend mehrfach ein blinkendes Polizeiauto Patrouille (warum? Wir wissen es nicht, aber für uns haben sie kein Interesse), sonst ist nichts los. Der Muezzin singt irgendwo und am Himmel leuchtet der Vollmond (nicht der Halbmond, obwohl wir in der Türkei sind).

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Kommentare: 1
  • #1

    Esther (Montag, 14 Juli 2025 09:17)

    Durch ihren Reisebericht und die Fotos steht die Türkei definitiv auf meiner Wunschliste. Was für fantastische Landschaften und Atmosphäre!

Digital findet ihr uns vielleicht bei Facebook?!

 Wo wir wohnen ist nicht wichtig! Haltet unterwegs die Augen nach der 13 auf!!

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