DREIZEHN UNTERWEGS
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Auszeit 2025  ·  14. Juli 2025

Türkische Schluchten

Felsformationen und kein Ende. So richtig genug haben wir noch nicht und gleich um die Ecke unseres zauberhaften Schlafplatzes liegt das Ihlara-Tal, eine sechzehn Kilometer lange Schlucht, die ebenfalls infolge mehrerer Ausbrüche des Vulkans Erciyes gebildet wurde und durch die sich der Fluss Melendiz schlängelt. Eine sehr idyllische kleine Wanderung, deutlich einfacher und erschlossener als die Wege rund um Göreme. Die Haupt-Herausforderung ist das Hinab- und Hinaufsteigen ins und aus dem Tal über die bestens angelegten Stufen, was einigen Wanderern schon den Schweiß aus den Poren treibt. „Have you enough water???“ werden wir besorgt gefragt. Was wird uns wohl erwarten? fragen wir uns. Nichts Schlimmes, stellt sich bald heraus. Denn trotz siebenunddreißig Grad Lufttemperatur wandert es sich unter schattigen Bäumen und zwischen beeindruckend hohen Felsen am plätschernden Bächlein ziemlich komfortabel. Und natürlich: auch diese Felswände waren bewohnt und weisen ebenfalls Fenster, Türen und Taubenschläge auf. Diese Bauten stammen aus byzantinischer Zeit und wurden von kappadokischen Griechen gebaut, die im Zuge des Bevölkerungsaustausches zwischen der Türkei und Griechenland im Jahre 1923 gezwungen wurden, das Gebiet zu verlassen und nach Griechenland zurückzuziehen. 

Zurück blieben ihre Behausungen und, eine Besonderheit, mehrere Höhlenkirchen, deren Inneres inklusive Wandbemalung relativ gut erhalten blieb. Und wahrscheinlich noch besser erhalten wäre, hätten nicht Menschen ganz offensichtlich absichtlich, die Bilder stellenweise beschädigt und zerkratzt. Die Tore, die allabendlich abgeschlossen werden, kamen leider zu spät. Am interessantesten (findet sogar Jürgen) ist die Schlangenkirche (Yilanli Kilise). Hier wird auf einem Wandbild eine martialische Bestrafung vierer Frauen durch Schlangenbisse dargestellt. Die Verbrechen waren: verlassen der Kinder (Bisse am ganzen Körper), Kind wurde nicht gefüttert (Biss in die Brust), Verleumdung (Biss in die Zunge) und Ungehorsam (Biss in die Hände). Hatte bestimmt abschreckende Wirkung…

Wenn man weit genug wandert (was unsere beiden besorgten Berater vom Tal-Eingang wahrscheinlich nicht gemacht haben) erreicht man einen hübschen Picknickplatz am Bach mit den heißgeliebten Picknicktischen direkt am Fluss. Wer kein eigenes Rucksackvesper dabei hat (oder sich ein wenig Luxus gönnen möchte) kann sich allerdings auch versorgen lassen. Hierfür hat der Besitzer eines kleines Lokals gemütliche Hüttchen aufgestellt. Hier lässt es sich bestens aufhalten. Über einen Feuerplatz spannt sich eine Metallkuppel, auf der drei Frauen gefüllte Fladenbrote backen. „Spinach fresh from garden!“ erklärt der Besitzer. Da sagen wir natürlich nicht nein. Jürgen sogar zweimal nicht!

Eigentlich sieht der Plan einen nächtlichen Aufenthalt am Vulkanberg Hasan Dagi vor. Park4Night lobt ein Plätzchen an einem auf knapp zweitausend Meter errichteten Hotel. Nette, deutsch sprechende Besitzer, Campen erlaubt, Tipps für den Aufstieg. Nehmen wir. Punkt eins: netter Besitzer spricht deutsch. Stimmt! Sie lebten eine Weile in Ditzingen und der Sohn spricht deutsch mit türkischem Akzent und schwäbischem Dialekt. Tipps für den Aufstieg? Hat er auch. Allerdings haben wir das Ganze etwas unterschätzt: alleine sechs Stunden nach oben? Keine Wasserquellen unterwegs? Und das bei Temperaturen weit über dreißig Grad? Kein Baum, kein Strauch? Hmmm, vielleicht doch lieber im Herbst auf der Rückfahrt… Ach ja, und morgen kämen etliche Motorradfahrer, die versuchen möchten, mit Motocrossmaschinen den Berg hinaufzurasen. Und auf dem Parkplatz, wo man gerne campen darf, könnte es etwas staubig werden. 

Wird bestimmt ein tolles Event! Spätestens hier fällt die Entscheidung: wir fahren zu unserem alten Schlafplatz an der Felsformation zurück!

Gut ausgeschlafen tingeln wir weiter durch Anatolien Richtung Ost. Weite Felder links und rechts, eine Zeit lang begleitet uns der Fluss Zamanti. Hier wird eine Pause gemacht. Heiß! Gut, dass man über eine steile Böschung doch irgendwie ins flache Wasser hinunter kommt und hier eine erfrischende Stehparty mit Ayran und Keksen feiern kann. 

Weiter geht´s und plötzlich wird´s ländlich! Kleine Dörflein, ein Gemüsestand am Wegesrand (wir decken uns nochmal ein), Kühe und Ziegen werden über die Straßen getrieben, die Bauern auf den Traktoren winken freundlich. Unser Ziel ist der Fluss Göksu im Hancer Deresi Naturpark. Um auf die Bergstraße dorthin zu kommen muss ein kleines Dorf  namens Yeniköy durchquert werden. Etwa zwanzig Häuser, aber so verwirrend an einem labyrinthartigen Wegesystem angeordnet, dass wir uns tatsächlich verfahren und einige verwirrte Dorfbewohner mehrfach passieren. Zumindest die Kinder freuen sich über den seltsamen Bus mit den Booten obendrauf! Zu unserer Ehrenrettung muss man anmerken, dass die „Hauptstraße“ definitiv nicht als solche erkennbar war, sondern deutlich rumpeliger aussah als der Rest. Jetzt geht´s abwärts. Wände aus rotbrauner Erde säumen unseren Weg, in der Talsohle schlängelt sich der Göksu, bis zu 350 Meter hohe senkrechte rötliche und graue Felswände ragen in den Himmel! Eine Brücke verbindet die beiden Ufer und auf beiden Seiten geht´s über steile Holperpisten auf die Bergpässe hinauf! „Göksu no!“ ruft ein auf der Brücke stehender Herr und fuchtelt auf den gegenüberliegenden Weg. Und pantomimisch stellt er gleich dar, WIE steil die Straße und WIE eng die Kurven sind. Auch seine beiden vom Flussufer heraufsteigenden Kumpel bestätigen seine Meinung. Ansonsten herrscht große Freude, zwei Deutsche Touristen getroffen zu haben und trotz kaum vorhandener Englischkenntnisse werden mit Hand und Fuß Geschichten hin- und her erzählt, türkische Chips verteilt und Selfies geschossen.

Als sie sich verabschiedet haben sind wir doch etwas unsicher. Was hat es mit dieser Straße des Schreckens auf sich? Die erste Rampe wird besichtigt. Sollte machbar sein, wird entschieden und schon rumpeln wir einmal hinauf und kurz darauf wieder hinunter. Auch ich habe mich inzwischen an Schlaglochfrequenzen und wildes Geschaukel und Gehopse gewöhnt und so haben wir keine Sorge, das Ganze morgen nochmal zu fahren. Einzig ein Ziegenhirte mit seiner Herde am Wegesrand und mit Handy am Ohr versteht die Welt nicht mehr. Zuerst nehmen wir aber erstmal den Kampf mit den Krabbeltieren auf. Im Sonnenschein haben kleine, blitzschnelle und hundsgemein pieksende Fliegen ihren Auftritt, bei Dunkelheit steigen die zwar nicht stechenden, bei der kleinsten vorhandenen Lichtquelle aber in dichten Wolken auftauchenden Minimückchen  aus der Flussniederung auf. Heißt, der Mund sollte geschlossen bleiben, möchte man keine Extraladung Proteine zu sich nehmen. Nachvollziehbarerweise findet heute eine frühe Bettruhe statt.

Kaum steckt Jürgen am nächsten Tag seine Nase in die (zum Glück mückenfreie) Morgenluft hält auch schon ein Traktor auf der Brücke an. Wild wird gestikuliert und gewunken. Ob wir in die Schlucht wandern wollen? Wenn ja: aufpassen und nicht schreien, manchmal fallen Steine herunter. Erklärt der nur türkisch sprechende Mann mit bester Gestikluliersprache. Und möchte sogleich die Telefonnummern tauschen. Vielleicht nicht schlecht, jemanden mit einem Traktor anrufen zu können. Wer weiß…

Kurz darauf tauchen Tayfun und Mesut auf. Für einen vermeintlich einsamen Platz herrscht ganz schönes Gedränge. Die beiden Cousins um die vierzig haben eine Wanderung in die Schlucht geplant und machen sich schon mal auf den Weg. „See you!“ winken sie uns noch zu. Kurz darauf sind auch wir unterwegs. Verdonschlucht-Feeling kommt zwischen den senkrechten Wänden auf, einen Weg gibt es nicht. Es darf also über Felsen geklettert und der Wasserlauf mehrfach gekreuzt werden. Zwischen knöcheltief und hüfthoch ist alles dabei. Kleine  Flusskrabben wuseln vor uns davon und am Himmel kreist ein Schlangenadler. Nach knapp zwei Kilometern wird´s unkomfortabler: die Wände rücken näher, das Wasser wird tiefer und vor allem: schlammig! Ein Felsblock muss überklettert werden und das Gestein ist bröseliger als gedacht! Eine Steinplatte bricht unter Jürgens Fuß weg, ich sehe ihn noch mit den Armen rudern, dann entscheidet er sich zum Absprung und – Matsch sei Dank! – landet er mit einem satten Platsch ziemlich weich! Alles gut?  Alles gut, es darf also gelacht werden! Trotzdem hält der Mann erst einmal Waschtag: Shirt, Rucksack, Handy, alles einmal abgespült. So treffen  uns Tayfun und Mesut an, die es noch ein paar Meter weiter geschafft haben. Lohnt sich nicht, wird uns vermittelt, noch mehr … (es wird ein türkisches Wort verwendet, das sicherlich „Matsch“ bedeutet). Tayfun demonstriert eine Schwimmeinlage als weitere Möglichkeit der Fortbewegung durch die Klamm, anschließend teilen sie ihr mitgebrachtes Börek mit uns.

Und kurze Zeit später befinden wir uns gemeinsam auf dem Rückweg, eine weitere Picknickpause mit Keksen wird zelebriert, Familienbilder werden von beiden Seiten vorgezeigt und trotz nur rudimentärer gemeinsamer Sprachkenntnisse (und mangels Internet fehlender Übersetzungs-App) ist der Austausch kein Problem. Etwas weiter unten sind drei Freizeitfischer mit ringförmigen Wurfnetzen am Werk. Großes Hallo von allen Seiten, vier bereits gefangene Fischlein werden stolz vorgezeigt. Ich drücke die Daumen für noch mehr Fangglück, schließlich soll das Abendessen ja für alle reichen. Zurück am Auto revanchieren wir uns mit Pepsi uns Ayran. Die kühlen Getränke aus dem Kühlschrank sorgen für Begeisterung, noch mehr die Tatsache, dass wir ECHTE Gläser im Camper mitführen. Gleich wird alles gefilmt! Das Innere unseres Campers wird ebenfalls in Augenschein genommen. Sympathisch finde ich bei unseren bisherigen türkischen Begegnungen die völlig unverhohlene und doch nicht aufdringliche Neugier. Fragen nach Alter oder Gehalt? Völlig auf der Tagesordnung! Ist keinem peinlich oder unangenehm. Auch uns nicht! Mag ich!

Im Übrigen beschließen wir, den Kampf mit den Krabbeltieren nicht noch einmal auszufechten, so hübsch der Platz sonst auch sein mag!  Und so bekommt Jürgen die Gelegenheit, unsere „13“ beim Erklimmen der „gefährlichen“ Straße mit dem Verfolgermodus der Drohne zu filmen. Und obwohl sie einmal aus dem Blickfeld gerät (Hilfe! Nicht nochmal!) gibt´s ein Wiedersehen mit Happy End und kurz darauf entern wir einen Platz hoch über dem Tal zwischen knorkeligen Nadelbäumen. Und hoffentlich ohne Fliegen!

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Kommentare: 1
  • #1

    Reinhard Wiorkowski (Dienstag, 15 Juli 2025 21:25)

    Hallo ihr beiden.Eure vielen, supermässigen Blogs lassen uns hier im the Länd so hautnah an eurem Abenteuer teilhaben ,dass es bei jedem "Bericht" eine immer wieder grösste Freude ist.Es ist einfach nur unübertrefflich schön.LG. Wio

Digital findet ihr uns vielleicht bei Facebook?!

 Wo wir wohnen ist nicht wichtig! Haltet unterwegs die Augen nach der 13 auf!!

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