DREIZEHN UNTERWEGS
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Auszeit 2025  ·  24. Juli 2025

Auf den Spuren der Faltbootpaddler

Wir kehren noch einmal zu einer früher gestellten und bearbeiteten Frage zurück und ergänzen sie um eine zusätzliche, hilfreiche Antwort: „Wie findet Ihr immer die tollen Wildcampingplätze?“ Die besten Treffer hatten wir in letzter Zeit folgendermaßen: man suche auf Park4Night einen gut bewerteten Schlafplatz, fahre diesen an, stelle fest, dass dieser Platz ziemlich bescheiden ist (Parkbucht am Straßenrand, Absperrbänder von nicht einverstandenen Grundbesitzern), stelle weiterhin fest, dass die Gegend an sich herrlich ist und suche selbst nach einer Stelle. Nutze 4x4! So spielt sich die ganze Geschichte auch heute ab. Nachdem wir einen kurzen Stopp in einem türkischen Skigebiet oberhalb des Euphrat-Tals eingelegt haben (deutlich über dreitausend Meter hoch, Spazierweg um den Speichersee, Slalomtore auf dem See?!? und die allseits beliebten Picknickhütten) biegen wir kurz vor Erzincan Richtung Kemah ab und folgen dem Euphrat flussabwärts.

Dieser mächtige Strom ist mit 2800 Kilometern Länge der längste Fluss im nahen Osten. Er entspringt in der Osttürkei, fließt durch Syrien und den Irak, wo er sich schließlich mit dem Tigris zum Schatt al-Arab vereinigt und in den persischen Golf mündet. An seinen Ufern lag unter anderem die antike Stadt Babylon und überhaupt spielt er in Religion und Mythologie eine wichtige Rolle, zum Beispiel als einer der vier Flüsse Edens oder in der apokalyptischen Vision der Offenbarung. Auch im Koran wird er als einer der paradiesischen Flüsse beschrieben. Und in der Tat: obwohl kein bisschen bibelfest habe ich doch das Gefühl, durch eine biblische Landschaft zu gondeln! Bis zum Horizont wechseln sich rote Felsformationen und wüstenartig sandfarbene Hügel in seltsamen Faltungen ab. Am Euphrat entlang grüne Oasen: hier gibt´s Wasser, hier entfaltet sich dschungelartiges Grün! Der eigentliche Glücksgriff soll aber erst noch kommen: nachdem, wie oben erwähnt, Park4Night mal wieder vor einem Absperrband endet, fahren wir einfach ein paar Kilometer weiter den mächtigen Euphrat entlang. Der sich übrigens ziemlich braun präsentiert. Hochwasser? Eher nicht. Ein Faltbootclub, der diesen Fluss 2012 befuhr, erlebte ihn genauso. Zu diesem speziellen Abenteuer gleich mehr! Zuerst jedoch entdecken wir am Wegesrand ein Rafting-Schild! Die darauf dargestellten Paddler alle KI-generiert mit Doppelpaddel. Trotzdem folgen wir dem Schild und landen am Flussufer an einem leerstehenden Haus, eine Raft-Station ist weit und breit nicht zu sehen. Dafür flussabwärts eine gigantische Klamm! Einige Klamme  haben wir in unserem Leben gesehen und auch schon durchwandert oder durchpaddelt. Und wir wissen auch, dass es gleich mehrere „tiefste Schluchten der Welt/ Europas“ gibt und das Verhältnis Tiefe/Breite dabei im Zweifelsfall eine entscheidende Rolle spielt. Und ohne zu wissen, wie hoch diese Klammwände am Euphrat wirklich sind: in der Top Ten der Tiefsten darf sie einfach mal eine Rolle spielen. Allzu lang ist sie dafür nicht. Übernachten mit Blick in diesen Canyon? Klar, machen wir! Also rumpeln wir zuerst die staubige Straße („Fenster zu!“) und anschließend eine rumpelige, steile und mit Felsen durchsetzte Trockenwiese hinauf, bringen unsere „13“ via Steinplatten in eine einigermaßen waagrechte Stellung und – haben einen der schönsten Schlafplätze gefunden, den man sich vorstellen kann!

Unter uns die grauen Felswände zwischen denen sich die Massen des Euphrat wälzen, rund um uns sand- und rostfarbene Hügel inklusive Bezoarziegen, ein Himmel, der an diesem Abend Schmutzgeier und einen Sonnenuntergang der Extraklasse liefert und wir selbst inmitten dieses Spektakels, klein wie Staubkörnchen!

Und da wir ja mehr oder weniger zufällig hier gelandet sind, befassen wir uns erst an diesem Abend mit zweierlei Erkenntnissen. Nummer eins: die Militärpräsenz in diesem Gebiet ist relativ hoch. An der Straße gibt es immer wieder Kontrollen. Wahrscheinlich im Zusammenhang mit Unruhen, die in diesen Gegenden immer wieder vorkamen, ausgelöst durch ethnische Minderheiten wie Kurden oder Aleviten, die, auch wenn die türkische Regierung es nicht anerkennen will, deutlich größer sind, als oft wahrgenommen. Nummer zwei: kann der Euphrat befahren werden? Und nun kommen wir zu oben erwähntem Faltbootclub. Auf den Spuren eines Paddlers, der den Euphrat schon 1932 unter abenteuerlichen Bedingungen befahren hatte („Unterwegs im wilden Kurdistan“) kamen sie 2012 mit mehreren Schlauchcanadiern am biblischen Fluss an und waren erstaunt, was sie hier erwartete, lesen wir im Internet nach. Nicht mehr ganz so ursprünglich wie 1932 fanden sie einige Kraftwerke vor. Bis heute wird übrigens fleißig weitergebaut, was umwelttechnisch ein großes Problem darstellt und zudem große Auswirkungen auf die Wasserversorgung in Syrien und Irak hat. Die wackeren Paddler ließen sich jedoch weder von den Dämmen noch von der Tatsache entmutigen, dass Temperaturen von bis zu sechzig Grad in Bodennähe den Kleber ihrer Tewa-Schuhe zum Schmelzen brachte. Das damals schon wachsame Militärpersonal wiederum war wenig begeistert von deren Aktion und untersagte die Befahrung eines Zwischenabschnitts, nahm sie kurzerhand aus dem Wasser und setzte sie Kilometer weiter unten wieder ein. Trotz solcherlei Schwierigkeiten konnten dennoch etwas mehr als hundert Flusskilometer gefahren werden. So viel haben wir nicht vor, auf Grund des Fehlens einer Raftstation nutzen wir den nächsten Vormittag erst einmal, um den Euphrat selbst zu erkunden. Und wo wir schon von der ersten Schlucht begeistert waren: flussabwärts finden wir gleich noch Nummer zwei und drei! Alles gut einsichtig und wo nicht, hilft die Drohne (kurzfristig ignorieren wir die Militärpräsenz). Insgesamt ist der Euphrat zwar breit, schnell fließend und mächtig, wartet mit ein paar Wellenzügen, jedoch mit ansonsten wenig Schwierigkeiten auf. Irgendwo zwischen der ersten und zweiten Klamm eine Kernstelle, die jedoch umtragen werden kann. Ein Ausstieg ist schnell gefunden. Am Flussufer befindet sich ein Quellgebiet, dessen kristallklares Wasser von Ali in mehreren Becken und Bachläufen eingefasst und zu einem bezaubernden Picknickareal ausgebaut wurde. Inklusive schattiger Bäume: eine Oase mitten in der Trockenheit. Ali verspricht, eine Rückfahrgelegenheit zu organisieren und schon können wir starten.

Schlucht Nummer eins: die tiefste von allen! Aus den löchrigen Felswänden starten Tauben, die Wände ragen bis in den Himmel hinauf. Die Ausfahrt führt unter einer Bogenbrücke nebst Denkmal hindurch. Ab jetzt wird´s paddeltechnisch ein bisschen spannender: die braunen Wassermassen bilden flotte und mächtige Wellenzüge, in den Kurven drücken die Fluten Richtung Fels – aufgepasst! 

Schlucht zwei hat sich – damit es nicht langweilig wird – etwas Besonderes ausgedacht. Die komplette linke Bergflanke bringt Dutzende von glasklaren Quellen in Trinkwasserqualität hervor: manche entspringen direkt dem Fels, manche gluckern die steilen Wände hinunter oder vereinigen sich in mehreren Bächlein in der grünen Vegetation. Ein Dschungel entstand an dieser Felswand! Und es ist bestens nachvollziehbar, warum der Euphrat sowohl im christlichen, als auch im muslimischen Glauben die Bezeichnung „paradiesischer Fluss“ erhalten konnte. Wir füllen schnell die Trinkflaschen und nehmen auch selbst eine eiskalte Dusche. Denn über den Euphrat kann man sagen was man will, aber das Attribut „erfrischend“ passt keinesfalls! Nicht nur, dass man sich die braune Brühe nicht unbedingt über den Kopf kippen möchte (geschweige denn, darin tauchen, darum unterlassen wir heute auch jede Kenterrole!), die Wassertemperatur fühlt sich an wie in der Badewanne!

In dieser Badewanne schaukeln wir der dritten Schlucht entgegen und auch diese hat etwas Neues zu bieten: hier drücken ebenfalls einige Quellen aus der Wand, jedoch haben sich durch Kalkablagerungen skurrile Steinformationen gebildet, die aussehen, wie auf den Kopf gestellte Amphoren, aus denen sich das Quellwasser in den Euphrat ergießt! Wir gönnen uns noch eine Dusche und paddeln dann Alis Oase entgegen.

Und was wäre ein türkische Rastplatz ohne den obligatorischen Cay? Und die ebenfalls obligatorische türkische Hilfsbereitschaft? Denn kaum ist unser Camper am Platz wird unser Material vom Sohn der Oase via Schubkarre angeliefert. Und bevor ich mich umdrehen kann, liegt auch mein Boot schon am Auto. So bleibt mehr Zeit für mehr Cay, den Ali inzwischen noch einmal heiß gemacht hat, obwohl er in der Hitze überhaupt noch nicht abgekühlt war. Und ein paar Kilometer den Fluss hinunter finden wir eine weitere Oase, in der im Steinofen Forelle mit Käse gebacken wird. Oder Chicken. Mehr gibt´s nicht und Vorspeise wird ungefragt auf den Tisch gestellt. Diese schnörkellose Art des Restaurantbesuchs liebe ich sehr. Kein Schnick, kein Schnack, aber was auf den Tisch kommt, ist lecker!

Und da wir uns ja anscheinend auf den Spuren der Faltbootpaddler befinden, sollen wir am nächsten Morgen wohl ebenfalls Bekanntschaft mit der Militärpolizei machen. „Günaydin“, wird plözlich hinter uns gegrüßt, als wir noch gemütlich in unserem Nirgendwo oberhalb der Euphrat-Schlucht frühstücken. Und drei Beamte in Militäruniform stehen plötzlich neben unserem Esstisch. Wir grüßen freundlich, sie grüßen freundlich und wie sich herausstellt, führen sie einfach nur eine Routinekontrolle durch. „Tourist?“ wird gefragt, was wir bejahen können. Und was, wie wir gelernt haben, als Erklärung für beinahe alles durchgeht. So auch hier. Die drei Herren sind höflich und freundlich, kontrollieren die Pässe und sind schon wieder verschwunden. Und wir kurz darauf auch – nachdem tatsächlich, wie zum Beweis, dass es das Raft-Unternehmen doch gibt, drei Gummiboote mit kreischenden Insassen die Schlucht durchquert hatten. 

Und unseren nächsten Platz hat nicht Park4Night ausgesucht, sondern wird auf Grund der Tatsache angefahren, dass es hier eine Waschmaschine gibt. Mal wieder dringend nötig! Und dass man den Aufenthalt praktischerweise mit einem Nostalgie-Besuch in Hamsiköy verbinden kann. Wer erinnert sich noch an 2019? Manchmal ist Milchreis ein Grund, um ein kleines Bergdorf mit unpassendem Namen zu besuchen: Hamsi= Sardine, Köy= Dorf. Doch dazu später mehr. Einige winzige, dafür umso gemeinere Moskitos sorgen in der Nacht für Action, es muss also auch neues Autan gekauft werden!

Und wer glaubte, Jürgen und ich wären abenteuerlich unterwegs: an diesem Morgen lernen wir die RICHTIG coolen Jungs kennen! In der Nacht irgendwann auf dem Campingplatz angekommen, liegen sie erst einmal noch in friedlichem Schlummer: zwei in der Hängematte (jeweils ein Ende an einem Baum und am Auto befestigt), einer im Mini-Zelt und einer auf dem Dach ihres Kleinwagens. Alle etwa Anfang zwanzig und damit bekanntermaßen eher schmerzbefreit. Irgendwann wachen die Herren aus England auf und so haben wir Gelegenheit, zu erfahren, auf welcher Mission sie sich befinden, nämlich mitten in der Mongol Rally! Worum geht´s? Es handelt sich um ein jährlich stattfindendes, legendäres, inoffizielles und völlig verrücktes Langstrecken-Autorennen. Oder besser: eine ungesicherte Abenteuer-Fahrt, bei der Teams von Europa aus (meist Tschechien) bis in die Mongolei fahren. Eine Route wird nicht vorgegeben, jeder fährt wie er will: über den Balkan, den Kaukasus, durch Iran, Kasachstan, Russland, Georgien… Regeln sind: kleines, gern völlig ungeeignetes Auto (maximal 1,2 Liter Hubraum), keine Hilfe wie Begleitfahrzeuge oder Support und es müssen mindestens 500 EUR für einen guten Zweck gesammelt werden. Im Fall der „ToonArmyBoys“ geht´s um ein Klimaprojekt. Philosophie? „If nothing goes wrong, everything has gone wrong.“ Die Rally ist bewusst chaotisch und abenteuerlich, es geht nicht ums Gewinnen, sondern darum, an Grenzen zu gehen, Menschen zu begegnen und in Wüsten steckenzubleiben. Ob sie ein Werkzeugset dabeihaben, fragen wir. Das schon, meinen sie, aber keiner hätte eine Ahnung, was sie damit anfangen sollen. Etwa sechs Wochen Zeit haben sie sich vorgenommen und ganz offensichtlich ist die Laune noch bestens! Muss sie auch sein, denn die RICHTIG schwierigen Abschnitte kommen erst noch. Wir folgen gleich mal auf Instagram, denn dieses Abenteuer wollen wir miterleben! Und vielleicht begenet man sich ja wieder in Georgien…

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