DREIZEHN UNTERWEGS
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Auszeit 2025  ·  14. August 2025

Die Gletscher des Kaukasus

Zurück im trubeligen Wanderort fühlt sich Mestia nach vier Tagen in der grandiosen Ausgesetztheit des Kaukasus geschäftig an. Lokale, Souvenir-Shops und Besucher – alles ist noch vorhanden! Allerdings erstaunlicherweise kein einziger Laden, der benutzbare Wanderbekleidung führt. Andenken, leckere swanetische Snacks und Getränke und „Piraten-Ware“ – das ist das Hauptgeschäftsmodell. Ein wenig überraschend für einen DER georgischen Wanderstart-Orte schlechthin. Die Sohle an Jürgens Trekkingschuhen löst sich nach vier Tagen (und vorhergehenden viereinhalb Monaten) Dauerbeanspruchung und so bleibt ihm keine Wahl, ein Paar „Piraten“-Schuhe einzukaufen. Damit wird hier völlig offen umgegangen: sieht auf den ersten Blick aus wie ein Markenprodukt, schon auf den zweiten wirkt es deutlich billiger und ist nichts anderes als nachgemachte China-Ware. Immer noch besser als ganz ohne Schuhe. Zumindest so lange, bis irgendwo (vielleicht in Tbilisi)? ein „echter“ Sportartikelladen auftaucht. Noch nötiger als die neuen Schuhe ist ein neuer Haarschnitt für mich. Beim einzigen Friseur am Ort hatte ich mir schon in der Woche zuvor einen Termin gesichert und so wird nun eifrig drauflosgefärbt. Zwar hatte ich der motivierten Dame ein „Vorher“-Bild von kurz nach dem letzten Haarschneidetermin in Deutschland vorgelegt, das Konzept „Strähnchen“ kam nicht so richtig an. Und bevor ich noch ein Foto mit „Aluhut“ (das ich jedes Mal extra für Eva schieße – Grüße! Diesmal gibt´s leider keins.) hervorgekramt habe, ist mein Kopf auch schon komplett mit Farbe eingepinselt. Auch über die Länge der Haare wird nicht diskutiert, hier hat das Personal das Sagen! Das Ergebnis ist in Ordnung, die ausgefransten Spitzen sind ab, der dunkle Haaransatz ist verschwunden und das Ganze kostet nicht einmal zwanzig Euro! Und was eventuell nicht ganz optimal ist richtet meine Rosi (ebenfalls Grüße!) in drei Monaten. Der Termin steht schon!

Frisch gestylt und ausgerüstet bestreiten wir die Tour nach Ushguli in weniger als einer Stunde auf der nigelnagelneuen Bergstraße. Und finden Nina und Aurelius, wie erwartet im Enguri-Tal mit Blick auf den Schchara (5193 Meter!) mit seinem grandiosen Gletscher. Im Vorfeld hatten sie uns schon eine Anfahrtsbeschreibung zu besagtem Schlafplatz angeboten, was sich aber erübrigt hatte. Denn auf einem Foto, das uns Australierin Jess mit sich selbst in euphorischer Sprungpose vor besagtem Gipfel schickte, ist klein aber eindeutig im Hintergrund das pastell-türkise Nostalgiemodell der beiden zu sehen. Und dass die beiden Reisefilm-Profis sind, entdecken wir im selben Moment, in dem wir oberhalb von Ushguli auf bewussten Platz zurumpeln. Denn natürlich ist das Enguri-Tal unterhalb des Gletschers ein enges Tal und kann so nicht allzu viele einigermaßen ebene Stellplätze bieten.

In diesem Fall zieht der viel bewanderte und berittene Trail mitten hindurch und die Wiesen rechts und links davon bieten zwar eine herrliche Aussicht auf das spektakuläre Tal und die Gipfel, aber ebenfalls viel Gelegenheit, den Wanderern, Reitern und Kieslastwagen (!) freundlich zuzuwinken. Nichts davon sieht man auf den idyllischen Filmen von aureliusnina. Gewusst wie! Wir sind nicht überrascht, schließlich kennen wir Ushguli und bleiben gerne für ein Abendessen und ein Frühstück mit herrlicher Aussicht, freundlich winkenden Ushguli-Fans, oben erwähntem Filmteam, vier radfahrenden Australiern/Dänen und allerlei Getier. Das für beste Unterhaltung sorgt! Die obligatorischen Pferde- und Kuh-Herden ziehen gemächlich durch die Szenerie. 

Zumindest so lange, bis sie von den sich normalerweise völlig freundlich und höflich verhaltenden Hirtenhunden entdeckt werden. In sekundenschnelle verwandeln sich die friedlichen Gesellen in Action-Helden auf der Suche nach Spaß, die wild bellend hinter den eben noch grasenden Rindern herjagen. Mit aufgestelltem Schwanz suchen diese panisch das Weite und galoppieren dabei blindlings durch die Zeltstadt der Fahrradjungs. Zufrieden schwanzwedelnd und Lob erwartend kehren die Hunde zu uns zurück und verwandeln sich umgehend wieder in freundliche, wunschlos glückliche Fußmatten.

Zur Mittagszeit am nächsten Tag haben wir den Ausblick ausreichend aufgesaugt und jetzt kommen auch die Touristen-Busse in Ushguli an, die eine Unmenge an asiatischen Gästen ausspucken. In einem langen Gänsemarsch besteigen diese die swanetischen Hügel und wir beschließen, uns über den Zagari-Pass aus dem Staub zu machen. Zuerst noch ein kurzer Stopp in einem kleinen Lokal: Nescafe (die Georgier haben keine Kaffeekultur und meist ist die Milch schon zu Käse verarbeitet, bevor man danach fragen kann), Schwarztee, selbst gemachter Kuchen und ein kleiner Schwatz mit einem georgisch-bayerischen Paar. Sie (die Georgierin aus Kachetien) bietet im Sommer Bustouren durchs Land an, während er (Bayer aus Regensburg) auf die gemeinsamen Kinder aufpasst. Aber eigentlich leben sie in Bayern. Als wir unsere „13“ wieder einsammeln, grasen auf dem Bolzplatz die Schafe und kurz darauf kurven bei bester Aussicht wir über den herrlichen Zagari-Pass.

Links taucht ein grandioser Gipfel mit Gletscher und rostroten Felswänden auf! Gut zu sehen von einem kleinen Kiesplatz aus. Der nächste Schlafplatz? Schon zehn Minuten nach Start? Zielgerichtet geben wir Gas, stellen nach weiteren zehn Minuten fest, dass  die Straße nur noch bergab führt (was bedeutet: die Aussicht wird nicht besser) und beschließen: ein weiterer Aufenthalt mit Bergblick kann nicht schaden! Immerhin sind wir mit Nika und dem Ratscha-Letschchumi-Gebirge erst am Freitag verabredet und das Ganze ist in dreieinhalb Stunden erreicht! Hier stehen wir völlig einsam, ein kleiner Gegenentwurf zum unterhaltsamen Ushguli. Der Gletscher des Ailama ist unter einer Wolkenbank gut zu sehen, der Bach fließt in einem breiten Kiesbett und alles sieht so aus, als könnte es in ein paar Stunden leicht zu erreichen sein. Denken wir! Doch die Dimensionen unterhalb eines Viereinhalbtausenders sind andere! Durch ein Sumpfgebiet (dies ist keine offizielle Wanderung und das Moor hat eine rostige Farbe: was ist das???) erarbeiten wir uns den Weg zu besagter Kiesbank und krabbeln dann wir zwei Ameisen über Stock, Kies und Stein, queren den kalten Gletscherbach mehrfach und stellen fest, dass die Gletscherzungen so gar nicht näherkommen. Trotzdem macht die Tour richtig Spaß, die Ausblicke auf die Berg- und Blumenwelt des Kaukasus ist grandios und wir passieren einige Schneefelder am Wegesrand. Die teilweise rostroten Wände der Bergmassive glühen, als wären sie von innen beleuchtet und ein kleiner Nebenbach führt ebenfalls rotes Wasser (Paddelkollege und Chemiker Bernie belehrt uns gleich via WhatsApp: „Fe3+ bzw. Fe203“) und wir wissen nun, wo der rote Schlamm des Sumpfes herkommt. Besonders hübsch die Stelle, an der sich das milchige Gletscherwasser, das aus den Seitentälern dazukommende klare Wasser und die bewussten rostroten Fluten zu einem geneinsamen Strom zusammenfügen. Ein wenig mulmig wird es Jürgen, als auf Höhe der mit Schutt und Erde bedeckten Schneehänge unterhalb seiner Füße ein unsichtbarer, kleiner Steinschlag abgeht, der erst Sekunden später klirrend auf Untergrund ankommt. Ein unterirdischer Hohlraum, der durch Schneeschmelze entstanden ist? Wir passieren die Region zügig und stellen bald fest: die Gletscherregion ist zu Fuß nicht zu erreichen. 

Jürgen lässt noch einmal die Drohne steigen und somit haben wir Gewissheit: sie zeigt uns etliche hundert noch zu bewältigende Höhenmeter an. Wir sind eben doch nur Staubkörnchen in einer ungreifbar gigantischen Bergwelt. 

Der Tag war nichtsdestotrotz spannend und mit tollen Erlebnissen gespickt, weitere Flussquerungen sind zu bewältigen und ein nicht eingeplantes Dschungel-Abenteuer erwartet uns auf dem Rückweg. Denn aus dem Vorhandensein eines kleinen Pfads am Flussufer beim Einstieg und eines entdeckten Gebäudes oberhalb des Flusses schließen wir: zwischen beidem muss es eine Verbindung geben! Und da wir den Rückweg nicht unbedingt wieder durch den rostroten Sumpf nehmen wollen, beschließen wir besagten Pfad zu finden: Pfadfinder, die wir heute sind!

Ungeschickt nur: besagten Pfad gibt es nicht! Nachdem wir eine steile Böschung hinaufgekrabbelt sind, befinden wir uns plötzlich in einem Urwald! Nie gesehene kunterbunte Blumen bedecken die Hänge. Ungewöhnlich: diese Gewächse sind teilweise meterhoch, haben armdicke Stämme, geben uns das Gefühl, plötzlich geschrumpft zu sein und sind vor allem: dicht und zugewuchert! Zurück über die steile Böschung und durch den rostigen Sumpf? Jürgen (der Held) bewaffnet sich mit einem dicken Ast und pflügt sich den Weg durch den vielfarbigen Dschungel, ich kann unter biergartenschirmhohen vielfarbigen Blüten folgen. Wie im Märchen. Wenn es nicht trotzdem mühselig wäre, sich hindurchzupflügen. Am Horizont entdecken wir immer wieder unseren Camper auf einer Kuppe stehend, doch (wie zuvor der Gletscher) kommt er einfach nicht näher! Ist das das Motto des Tages? Natürlich schaffen wir es und natürlich konnte der Sumpf nicht ganz umgangen werden.

Glück aber, dass unser Badezimmer immer dabei ist. Und am Rande des Parkplatzes eine kleine Wellnessoase in Form einer Mineralquelle existiert. Wasser schießt aus dem Boden, das bereits den ganzen Untergrund rostrot gefärbt hat. Wird sofort probiert und es schmeckt erfrischend kalt, sehr metallisch, ein wenig nach Schwefel und prickelt. Interessant, gar nicht so schlecht und soll gesund sein! Ich fülle also eine Flasche ab. Ein paar Minuten fahren wir anschließend wieder bergauf und „veschpern“ (auch im Ausland sind wir Schwaben) mit grandiosem Ausblick auf den Ailama: extra für uns tut sich ein Wolkenloch auf und präsentiert in unerwarteten Höhen seine schroffen Gipfelzacken, die in den Dunstmassen aussehen, als würden sie schweben. Mythen und Legenden über in unerreichbaren Gipfeln in den Wolken thronenden Göttern: bei solch einem Schauspiel ist mehr als nachvollziehbar, wie sie entstanden sind!

Die Nacht ist rabenschwarz und die Temperaturen stürzen nach dem Verschwinden der Sonne in den einstelligen Bereich ab. Allzu lange sitzen wir also nicht mehr draußen. Und ist es wirklich erst wenige Tage her, dass wir vor Temperaturen um die vierzig Grad in die Berge geflüchtet sind? So fühlt es sich an, wenn ein Plan aufgeht! Und zum Frühstück präsentiert sich der Himmel blitzblau, sodass sogar der Schchara-Gipfel noch einmal über die Bergrücken zu uns herübergrüßt. 

Während ich den Ausblick genieße erlebt Jürgen via Drohne noch einmal unsere gestrige Wanderung und mehr!

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