DREIZEHN UNTERWEGS
  • Start
  • Blog
  • Über uns
  • Familie
Auszeit 2025  ·  07. September 2025

Abenteuer Vashlovani

Eigentlich befinden wir uns ja in wild wild east, in folgender Geschichte wird jedoch Wildwest-Feeling aufkommen. Eins unserer mit großer Vorfreude erwarteten Highlights, das Vashlovani Naturreservat, wird unser nächstes Ziel sein. Ganz im Südosten Georgiens (das übrigens mit seinen zwei spitzen Enden geformt ist wie die Brotspezialität Tone – oder ist es eher umgekehrt?), sozusagen im allerletzten Zipfel zwischen Armenien und Aserbaidschan befindet sich diese „merkwürdige Halbwüste oder Halbsteppe“ (O-Ton Reiseführer) und bietet eine gänzlich andere Landschaft, Flora und Fauna, als wir sie bisher kennengelernt haben. So wird zumindest behauptet. Behauptungen müssen überprüft werden und so steuern wir am Mittwoch Nachmittag ein langgestrecktes Örtchen namens Dedoplistskaro an(kann sich jemand diesen Namen merken?). Denn einfach ohne Weiteres darf das Vashlovani-Gebiet aus verschiedenen Gründen nicht angefahren werden: Grund Nummer eins ist sicher die Nähe zu Aserbaidschan. Nur noch durch den Fluss Alazani getrennt verläuft die Grenze zum (gegenüber Georgien geschlossenen) Nachbarland genau am Rande des Gebiets, entsprechend oft wird hier kontrolliert. Grund Nummer zwei betrifft die Sicherheit der Besucher: das seit 1935 ausgewiesene Schutzgebiet umfasst eine Fläche von mehr als 35 000 weitläufigen Hektar, kann im Sommer bis zu fünfzig Grad heiß werden und hat extrem rumpelige Pisten und teilweise giftige Schlangen  zu bieten. Somit handelt es sich eben nicht um eine Sonntags-Safari, sondern um ein durchaus anspruchsvolles Unternehmen. Aber -denken sich die Abano-Pass-erfahrenen Insassen der „13“ – was soll jetzt noch Schlimmeres kommen (Karma kichert leise im Hintergrund). 

Trotzdem durchlaufen wir natürlich brav und aufmerksam alle nötigen Formalien: die nette und bestens Englisch sprechende Dame im Besucherzentrum des unaussprechlichen Dedo-Dingsbums klärt uns auf: 4x4 ist obligatorisch, genug Wasser, Sprit und Lebensmittel für vier Tage ebenfalls. Das an den Ranger-Stationen vorhandene Wasser soll auf keinen Fall getrunken werden: „You don´t will die of it…“ setzt sie mit Hinweis auf die reichlich darin vorhandenen Mineralien an. „But you wish, you will die?“ beendet Jürgen, wahrscheinlich in Gedanken an Aurelius und seinen „flotten Otto“. Wir gehen im Kopf nochmal die Beladung des Campers durch, fühlen uns bestens vorbereitet und lassen uns mit den entsprechenden Dokumenten zur Border Police, einige hundert Meter weiter schicken. Auch hier geht alles ruckzuck und so befinden wir uns kurze Zeit später auf dem Weg ins Abenteuer! Das letzte Dörfchen am Wegesrand, ebenfalls langgestreckt über etliche Kilometer, eindeutig ein Bauern-Ort mit landwirtschaftlichen Geräten und jeder Menge Haus-Getier auf den Straßen, es folgen abgeerntete Getreidefelder in hügeliger Landschaft, die sich nahezu bis zum Horizont erstrecken. Auffällig: die bevorzugte „Bearbeitungsmethode“ scheint das Abbrennen dieser Felder zu sein: hügelauf, hügelab erstrecken sich schwarze, rußige Flächen. Um die vereinzelten Gehöfte wurden mittels Pflügen Brandschneisen gezogen. Die meisten dieser Gehöfte stehen ganz offensichtlich zur Zeit noch leer: hierher zieht das Volk der Tuschen mit all seinem Getier allwinterlich, um jeden Frühling über den wilden Abano-Pass nach Tuscheti zurückzukehren. Und plötzlich verlassen wir jegliche Zivilisation: eine Ranger-Station gibt es noch am Wegesrand, ansonsten weicht das landwirtschaftliche Gebiet trockener, gelborangener Graslandschaft, Hügel an Hügel erstreckt sich entlang der staubigen Straße und – es wirkt wie im Film – ein „lonesom rider“ mit Halstuch und Cowboyhut kommt uns entgegen.

In besagter Station hält ein einsamer Ranger Wache: wir grüßen mit einem freundlichen „Gamarjoba“ und warten auf weitere Anweisungen. Die da, mangels Englischkenntnissen, nicht sehr detailliert sind. Aber Dank der freundlichen Dame im Besucherzentrum sind wir ja bestens instruiert. „Border Police Document?“ lautet die Frage des Rangers. Wir nicken eifrig. Ob er es sehen möchte, gestikulieren wir. Möchte er nicht. „Border Police Document: yes! Problem: no!“ erklärt er nachdrücklich und untermalt das Ganze mit ausladenden Handbewegungen. Und somit ist alles gesagt. Schlafen können wir (denn langsam wird es dunkel) wo wir wollen und so stehen wir inklusive fahrbaren Schlafzimmers kurze Zeit später einige hundert Meter entfernt mitten in der staubigen Steppe. Bestens behütet von unserem Ranger, der alle Stunde das Gelände mit einer Taschenlampe mit Flutlichtqualität absucht. Was er kontrolliert? Wir wissen es nicht. Dafür bekommen wir Besuch. Ein quietschender, rostiger Gelände-Lieferwagen hält in einer Staubwolke neben uns an und heraus steigt ein dürres Männlein, schüttelt uns begeistert die Hand, sein breit grinsender Kumpel winkt freudig aus dem Fenster. „Schlafen?“ deutet er an. Wir zeigen auf unser Auto: „schlafen Maschina“ (was „schlafen im Auto“ bedeuten soll) gestikulieren wir. Somit sind die beiden Herren anscheinend beruhigt, ansonsten wären wir wohl irgendwo auf ihrer Farm untergekommen. Wild johlend und hupend rumpeln sie davon: zwei echte Hillbillies! Zweimal hören und sehen wir an diesem Abend noch von ihnen: es wird noch einmal vorbeigerumpelt, eine Hundemeute wird zusammengetrommelt und wiederum wild johlend vor dem Auto hergetrieben. Noch Stunden später hören wir die schrillen Rufe. Womit man sich in der Einsamkeit der Prärie eben so unterhält..?

Womit wir bei unserem eigenen Unterhaltungsprogramm wären: neben der unwegsamen Safari gibt es hier einiges zu entdecken. 46 Säugetier-, 135 Vogel-, 30 Reptilien- und 600 Pflanzenarten, einige davon endemisch. Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen: wir steigen quasi an der „wildesten“ Stelle in Vashlowani ein. Dass Offroad-Fähigkeiten gefragt sind, war natürlich im Vorfeld klar (und wir fühlen uns ja mit unserem vielfältigen Pass-Erfahrungen inzwischen wie Profis), aber: habe ich mich jemals über den ABANO-PASS beschwert??? Nachdem uns Vashlovani mit seinen prärieartigen Steppen, seinen Wildwesthügeln in allen Variationen und seinen bis zu 400 Jahre alten atlantischen Pistazienbäumen begrüßt hat (unsere Augen leuchten sicher vor Begeisterung), beschließt der Weg plötzlich, uns zu vermitteln, was die tapfere „13“ WIRKLICH draufhat. Vorteil: im Gegensatz zu den Pässen geht´s hier nicht hunderte von Metern an den Seiten runter. Nachteil: das Nervenkostüm (zumindest meins) leidet ein bisschen. Tiefe Rinnen sind in den trockenen Boden eingegraben, steile Rampen voller Steinbrocken und Schlaglöcher von Autoreifengröße lassen zwischenzeitlich daran zweifeln, ob die Bodenhöhe unseres Fahrzeugs wirklich ausreichend ist. Gut, dass im Vorfeld so viel geübt werden konnte: Jürgen steuert in gekonntem Winkel über die Schikanen, langsam aber stetig klettert die „13“ auch die steilen Anstiege hinauf und an den wildesten Stellen gibt es nicht selten eine Alternative übers Grasland: hier fühlten sich auch schon andere Abenteurer nicht ganz wohl. Wunderschön die engen Schluchten aus Konglomeratgestein und natürlich die nicht enden wollenden Ausblicke auf immer neue Felsformationen und den blauen Fluss Alazani, an dessen anderem Ufer schon Aserbaidschan zu entdecken ist.

Wir befinden uns in Cowboyland! Nein, tun wir nicht, die Grenzbeamten in Flussnähe sehen nicht wie Cowboys aus! Dem ersten Trupp begegnen wir just an unserem Frühstücksplatz. Im selben Moment, als Tisch, Stühle und Markise installiert sind, braust ein Jeep auf den Platz. „Kamera!“ erklärt uns einer der beiden Insassen. Und in der Tat: mit all unserem Equipment verdecken wir eine am Baum angebrachte Überwachungsvorrichtung. Vermutlich handelt es sich, im militärischen Interesse, nicht um eine Wildbeobachtungskamera, sondern um ein Instrument zur Beobachtung auftauchender Flüchtlinge aus zum Beispiel Irak und Iran. Hier dürfen wir nicht speisen, wird uns klargemacht, also rumpeln wir einen Kilometer weiter, um uns unter schattigen Pistazienbäumen und georgischen Ulmen (und ohne Überwachung) zu stärken. 

Was dringend nötig ist! Denn die größte Herausforderung der Safari wartet gleich um die Ecke. Und zu diesem Zeitpunkt wissen wir noch nicht, ob es nicht bald NOCH schlimmer wird – was es glücklicherweise (Spoiler) nicht tut! Schon von Ferne ist eine scheinbar senkrechte Kiesrampe zu erkennen. Beeindruckt zeigt Jürgen in diese Richtung, ich verweigere die Erkenntnis, dass diese Strecke Teil unserer Route ist: bestimmt gibt´s wieder einen Alternativweg! Den gibt es nicht! Hier geht´s lang. Umdrehen oder ausprobieren? Jürgen will hoch, ich will raus und schnappe die Kamera, um das Ganze per Video festzuhalten. Inzwischen weiß ich: von außen sieht´s meist viel harmloser aus, als es sich von innen anfühlt. In diesem Fall ist es schon von außen furchtbar. Jürgen gibt Gas, denn diese Steigung ist im entspannten 4x4-Klettertempo nicht zu bewältigen, hier braucht´s eine härtere Gangart. Anhalten ist nicht,  dafür ist Anlauf nötig, die „13“ fährt Richtung Himmel. Mehrfach bricht das Heck aus, die ganze vollgeladene Kiste schlingert hin und her, die Räder drehen durch, Steine spritzen in alle Richtungen, eine Staubwolke bis zu den Wolken! Immerhin schwindet so das nervenzerfetzende Szenario für kurze Zeit  aus meinem Blickfeld. Und zack: steht unser Abenteuermobil auf der Kuppe uns ist offiziell in den Club der Profi-Gelände-Fahrzeuge aufgenommen. Wer hätte gedacht, was mit so einem „Wohnbussle“ alles möglich ist? Trotzdem brauchen wir so etwas nicht noch einmal, gestehen wir uns oben bibbernd ein. 

Die verlorene Radkappe wird mit Kabelbinder fixiert und weiter geht´s. Die Rumpelei nimmt weiter zu, am Wegesrand wird ein „Wüsten-Post-Office“ passiert, nach rechts und links neigt sich unser Profi-Mobil und alsbald stehen wir auf der Kante eines immensen Canyons: dem Usakhelo Viewpoint, wo wir uns erschöpft eine kühle Dose Cola teilen. Zur Erholung dürfen wir hier den Blick über die skurril gefalteten Felswände nebst tiefem Tal mit einzigartiger Buschlandschaft schweifen lassen. Neben Braunbären, Kropfgazellen, Wölfen, Ottern und Hyänen konnte eine Wildkamera hier sogar schon einen Leoparden aufzeichnen. Dieser zeigt sich uns jedoch nicht und so steuern wir unseren Schlafplatz unter den ausladenden Pistazienbäumen an. Dessen Früchte haben übrigens nichts mit den uns bekannten Knabbernüssen zu tun, sondern sehen eher aus wie rötliche Holunderbeeren, die in Büscheln an dessen Ästen wachsen und nicht für den menschlichen Verzehr geeignet sind. Einzig das Harz wird heute noch als Lack oder Klebstoff verwendet. Mit einem grandiosen, gelblichen Sonnenuntergang und einem fast runden Käse-Mond über unserer Baumsteppe macht sich einsame Wüstenstimmung breit! Haben wir uns Vashlovani so vorgestellt? Bestimmt nicht, es ist Magie pur und muss erlebt werden! Ein bisschen Sorgen machen wir uns trotzdem beide: sollten die Schwierigkeiten zunehmen, ist Schluss für die treue „13“. Schließlich, und hier wird noch einmal Schweizer Andi zitiert, ist das unsere Wohnung! Und eine Rampe wie der „Highway to hell“ wird definitiv nicht mehr befahren! 

Doch Überraschung: Vashlovani wartet heute mit weiteren Canyon-Ausblicken, prärieartigen Steppen und engen Klammen, jedoch auch mit deutlich moderateren Straßenverhältnissen auf. Der Genussfaktor ist also ein wenig höher als am Tag zuvor und so erleben wir neben der Safari drei kleine Wanderungen am Wegesrand: den „Eldest Tree Trail“ mit seinen uralten Pistazienbäumen, das Alesilebi Tal mit seinen Wegen in ausgetrockneten, tief eingeschnittenen Bachbetten und den Bear Canyon. Hier gibt´s die Fundstelle von Schulterknochen und Zahn eines urzeitlichen über vier Meter großen Elefanten zu bewundern. 

Noch spannender: wer die Augen offenhält kann überall tierische Wüstenbewohner entdecken! Wenn wir auch weder die Bären und Gazellen, noch den Leoparden zu Gesicht bekommen, treffen wir immerhin: Steppenadler, riesige Steppenschildkröten (Vierzehenschildkröten), Heidelibellen, Gänsegeier, Mönchsgeier, Stellio-Agamen, Kleine Teufelsblumen (eine Gottesanbeterinnen-Art), Kegelkopfschrecken, Wespenspinnen, Östliche Streifeneidechsen, Larven von Ameisenlöwen und jede Menge aufgeregte Chukarhühner. 

Und abends im Bear Canyon, ein Paar aus Heidelberg mit ihrem Camper. Auch sie sind völlig begeistert vom wilden Cowboyland und so stellen wir uns einfach daneben und sind für diesen Abend zu viert in der grandiosen Einsamkeit.  

Wie geht´s weiter? Uli und Jo planen den Besuch eines Weinguts in Kacheti, DER Weinbaugegend Georgiens und vielleicht der ganzen Welt. Über 8000 Jahre reicht die Tradition zurück und wenn man schon mal hier ist…? Also beschließen wir, am Abend dasselbe Weingut anzusteuern, denn sowohl als Weintrinker (Jürgen), wie auch als Nicht-Weintrinker (ich) wollen wir all die Vielfalt mitnehmen, die dieses großarteige Land so zu bieten hat. Aber noch ist das Abenteuer Vashlovani ja nicht zu Ende: weitere Staubpisten und Canyons warten und am anderen Ende gäbe es noch ein paar Schlammvulkane zu entdecken. Diese allerdings mehr als dreißig Kilometer entfernt und die Straße ist eher Schlagloch mit Asphalt als Asphalt mit Schlagloch und macht keinen Spaß zu fahren. Im Übrigen sollen die Schlammvulkane nur mittelmäßig spektakulär sein und beide haben wir Mitleid mit unserer treuen „13“: genug gequält! Und so statten wir auf dem Weg zum Weingut sowohl der am Fels klebenden Saint Elia Mountain Church und dem Adler Canyon (in dem wir hauptsächlich Geier beobachten) einen Besuch ab. 

Und landen spätestens abends bei „Ibero“ wieder in der Zivilisation: Staub von drei Tagen aus dem Auto entfernen, duschen, Tipps und Erfahrungen mit weiteren Vashlovani-Fans teilen und eine fantastische, informative Weinprobe und Weinkellerführung (inklusive georgischem „Vesper“ natürlich) mit Gutsbesitzer David, Angehöriger der dritten Generation Weinbauern in der Familie. Kenner sagen: sehr schmackhafter Wein und Chacha! Ich sage: nette Gesellschaft, interessante Geschichten und die Erkenntnis, dass David bei einem Deutschlandbesuch besonders die Butterbrezeln und die Unfreundlichkeit einer deutschen Dame, die ihn auf seine nicht erwünschte Anwesenheit auf einem Radweg (ein Konzept, das ihm bis dato nicht bekannt war) aufmerksam machte, im Gedächtnis blieben. 

tagPlaceholderTags:

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    wio (Sonntag, 07 September 2025 17:18)

    Ich denke bei jedem neuen Blog: na, viel wilder,spannender,abenteuerlicher und mystischer geht's ja wohl nicht mehr . Und bin dann jedes Mal total fasziniert, dass eben dies doch noch geht.Danke Leila und Jürgen für die Teilnahme an eurer phantastischen Reise in einer anderen Welt.

Digital findet ihr uns vielleicht bei Facebook?!

Wo wir wohnen ist nicht wichtig! Haltet unterwegs die Augen nach der 13 auf!!


RSS-Feed Blog

Blogverzeichnis Bloggerei.de - Reiseblogs
Impressum | Datenschutz | Cookie-Richtlinie | Sitemap
Anmelden Abmelden | Bearbeiten
  • Start
  • Blog
    • Auszeit 2025
    • Auszeit 2019
  • Über uns
  • Familie
  • Nach oben scrollen
zuklappen