DREIZEHN UNTERWEGS
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Auszeit 2025  ·  28. September 2025

Tsteessutsjun, Armenia (Auf Wiedersehen, Armenien) und noch mehr Grenzen

Unser neuer Schlafplatz ist spannender als gedacht. Und das nicht nur wegen des spektakulären Ausblicks auf den schwebenden Ararat-Gipfel im Süden und den schneebedeckten Aragaz-Gipfel im Norden. Mindestens ebenso spannend die Erkenntnis, dass dieser ausgesetzte Platz überhaupt nicht sooo einsam ist, sondern auf eine nette Art und Weise für interessante Begegnungen sorgt. Begegnung Nummer eins: Andrea und Bernd. Deren Namen wir erst hier erfahren. Gesehen, gegrüßt und zugewunken haben wir dem blauen Truck allerdings schon mehrfach. Wie oft? Darüber sind wir uns nicht ganz einig. Das erste Mal aber war sicher auf dem nervenzerfetzenden Abano-Pass in Georgien Richtung Tuscheti: sie runter, wir rauf, kurzer Stopp Fenster an Fenster auf schmaler Rumpelpiste. Wann immer sich zwei „deutschsprachige“ Abenteuerbusse treffen, muss natürlich sofort angehalten werden. Und hier bietet sich nun endlich die Gelegenheit, zu hören, was die beiden eigentlich vorhaben. Und wir lernen: es gibt durchaus Möglichkeiten, den „undurchdringlichen“ Russland-Aserbaidschan-Iran-Gürtel zu durchbrechen. Andrea und Bernd waren nämlich in Yerevan auf der irakischen Botschaft, um sich ein Visum zur Durchquerung dieses Landes zu beschaffen. Was anscheinend nicht besonders schwierig war. Und so sind sie nun auf dem Weg Richtung Irak, um danach Oman anzusteuern. So kann´s also zumindest in diese Richtung funktionieren. Die „-stans“ (Kasachstan, Kirgistan, Usbekistan, Turkmenistan) sind auf dieser Route natürlich immer noch außen vor. Es sei denn, man macht´s wie Jess und Declan aus Australien und fliegt (Voraussetzung: man hat kein Auto) oder wie die britischen Mongol-Rally-Jungs und lässt sich das Auto per Transporter nach Aserbaidschan bringen (und fliegt selbst nach Baku) , um dann mit der Fähre das Kaspische Meer zu kreuzen. Wie auch immer, im Moment befinden zumindest wir uns auf dem „Rückweg“ und sparen solche Optionen für irgendwann auf. Und treffen kurz danach auf Michaela und Laurant aus der Pfalz, die ebenfalls an diesem wunderschönen Platz übernachten und für danach wiederum ganz andere Pläne haben: Auto wird untergestellt und mit dem Flieger geht´s nach Indien und Nepal. Und ich frage mich, ob so ein einzelnes Leben eigentlich genug ist, um alle Plätze zu entdecken, die man gerne entdecken möchte…

Immerhin: heute entdecken wir den höchsten Berg Armeniens, der sich direkt vor unserer Nase erhebt: den Aragaz. Und richtigerweise muss gesagt werden: es ist kein einzelner Berggipfel. Dieser erloschene Schichtvulkan besteht aus gleich vier Gipfeln: dem Süd-, Nord-, West- und Ostgipfel. Wobei der Nordgipfel mit 4090 Metern die höchste Erhebung bildet. Der Westgipfel erreicht 4001 Meter, der Ostgipfel 3916 und der Südgipfel ist mit 3879 Metern der kleinste von allen. Spannend finde ich die Information, dass dieses Gebilde irgendwann im Jungpleistozän ein gigantischer über 10 000 Meter hoher Vulkanblock gewesen sein soll, der durch verschiedene Ausbrüche auseinanderbarst und eben diese vier Gipfel übrigließ. In der Mitte dazwischen gähnt bis heute ein gewaltiger Abgrund. Und ebenfalls bis heute sind die Hänge rundherum bis hinunter ins Tal mit massiven Steinbrocken übersät. Man kann sich lebhaft vorstellen, wie sie seinerzeit kilometerweit in die Lüfte geschleudert wurden! Und möchte nicht unbedingt dabei gewesen sein. Die Wanderung zum Südgipfel hinauf lässt uns immerhin achthundert steile Höhenmeter überwinden und führt über Geröllfelder aus flachen, rötlichen Platten oder grünen Gesteinsbrocken.

Und über einen gewaltigen, gezackten Grat, der wie der Rücken eines Drachen wirkt und  dessen Flanken teilweise gewaltig in die Tiefe abfallen. Ein bisschen darf an den Felstürmen sogar geklettert werden. 

Die Luft fühlt sich in diesen Höhen tatsächlich ein wenig dünner an als gewohnt und in knapp 4000 Metern kommt auf dem vereisten Südgipfel mit seiner im Wind wehenden armenischen Flagge echtes Pionier-Gefühl auf! Der Ausblick auf die drei anderen Gipfel ist gigantisch, rundherum die weichen, gefalteten  Berghänge, die irgendwie alle vulkanisch aussehen. In Urzeiten muss hier die Hölle los gewesen sein! Auf dieser Flagge übrigens wieder die schon mehrfach beobachteten weißen, wie Treppenstufen angeordneten Quadrate. Was sie bedeuten, konnte uns Yerervan-Guide Vako erklären: sie stellen die von Armenien abgetrennten Gebiete Bergkarabach und Naxcivan dar.

„Einfach so“ können die anderen drei Beggipfel übrigens von hier aus nicht bestiegen werden: der tiefe Krater müsste dazu durchquert werden, wofür eine Tageswanderung nicht ausreicht. Zudem wäre zumindest für den steilen und vereisten Nordgipfel alpine Ausrüstung nötig. Nicht schlimm, wir kommen mit unserer Wanderung voll auf unsere Kosten (definitiv eine Top10-Tour!) und gerade noch rechtzeitig beim Camper an, bevor die Sonne hinter den Bergrücken verschwindet: der Herbst kommt an, denn wirklich spät ist es noch lange nicht! Dafür zieht mit dem Verschwinden der letzten warmen Strahlen eine Eiseskälte auf dem Bergrücken ein, die in der Nacht den Tau auf dem Campingtisch gefrieren lässt. Das erste Mal also heute: Abendessen vor der kuschelig-warmen Heizung!

Mit der Rückkehr der Sonne bricht gleichzeitig unser letzter Tag in Armenien an. Die Fahrt durch die Cowboy-Ebenen erfüllt uns schon ein bisschen mit Wehmut, zeigt sich unser neues Lieblingsland doch noch einmal von seiner schönsten Seite! Um den Abschied etwas hinauszuzögern folgen wir einem Tipp unserer neuen Freunde vom 3g-Camping (Ihr wisst ja, um den Überblick nicht zu verlieren, bekommen alle Reise-Bekanntschaften gut merkbare Namen – nicht alle sind für die Öffentlichkeit bestimmt) uns besuchen einen weiteren Lost Place. Das radiooptische Observatorium in Orgov. Faktisch war es nur vier Jahre in Betrieb, um verschiedene astrologische Beobachtungen zu tätigen (vielleicht auch intelligentes Leben im All zu entdecken?), um mit dem Zerfall des sowjetischen Reichs zuerst einmal die Arbeit einzustellen. Mehrfach wurde versucht, das Ganze mit modernerer Technik auszustatten und wieder zum Laufen zu bringen, doch so wirklich erfolgreich wurde die Arbeit damit nicht mehr, bis 2012 der Betrieb endgültig eingestellt wurde. Die Gebäude mit ihren historisch wirkenden Steuerpulten, pompösen Steinbögen und Deckenstuck, eine riesige, ehemals schallisolierte Akustikhalle, die gigantischen mit aluminiumlegierten Glas- und Metallplatten ausgekleideten Spiegelkrater für die Teleskope, die verlassenen Büroräume mit verschnörkelten Trinkbrunnen wirken wie eine Kulissen für Weltraum-Science-Fiction-Filme. Ein bisschen Endzeitstimmung. Zumindest bis zu dem Moment, wo eine plappernde Münchner Kunstklasse einfällt, um nicht nur bestimmt beeindruckende Bilder zu schießen, sondern auch ein vergessenes und völlig verstimmtes Klavier zu malträtieren. Wobei: wäre dies ein echter Science Fiction, wäre bestimmt noch irgendeine Antenne in Betrieb, die genau diese Signale in den weiten Weltraum senden  und exakt die richtige Frequenz treffen würde, um letztendlich doch noch den Kontakt zu außerirdischem Leben herzustellen. Und dann? Diese Geschichte dürft Ihr Euch selbst ausdenken.

Wir folgen so lange einem weiteren Tipp und gönnen uns zum Abschluss ein herrliches Menü in einem Fischrestaurant in Gyumri. Riesige Zuchtbecken voller dicker Forellen, Lachse und Störe, dazwischen gemütliche Sitzgruppen aus Holz, Bachläufe und Brückchen. Auge in Auge mit dem Mittagessen sozusagen. Die Brücken übrigens DER Foto-Hotspot schlechthin. Es gibt kaum ein Durchkommen zwischen sich zur Schau stellender Jungs und Mädels. Zwei Gesichter kennen wir immerhin: Herta und Günther aus Österreich, die wir schon von Mestia und vom 3g-Camping her kennen: aller guten Dinge sind drei! Und anscheinend MUSS dieses Fischrestaurant besucht werden, vorher darf man Armenien nicht verlassen. Wir sind uns alle einig: zu Recht! Alles ist lecker und der Service super freundlich! Herta und Günther wiederum (noch eine Grenzgeschichte) trauten sich, entgegen ursprünglicher Pläne, die Durchquerung von Iran und Alternativen doch nicht zu und befinden sich nun wieder auf dem Weg nach Georgien (Vashlovani) und dann zurück Richtung Griechenland.

Wir ebenfalls, allerdings ein bisschen schneller – Ihr wisst ja, wir sind auf dem „Heimweg“. Die Anführungszeichen benutze ich absichtlich, denn immerhin bleiben uns  fünf Wochen und wir haben noch allerlei vor! Der heutige Plan (nach Observatoriom und Mittagessen) ist ziemlich ambitioniert. Zuerst die Grenze nach Georgien (zack! das ging flott!), weiter über vierzig Kilometer zur türkischen Grenze bei Bavra. Sollte doch ebenfalls zackzack gehen, ist ja schließlich nicht Batumi. Denken wir! Den ersten Strich durch die Rechnung macht mal wieder Google. Kenn ich nicht, scheint die App zu denken und führt uns mehrfach auf völlig ausgesetzte Holperpisten. Die mit Sicherheit zum Grenzübergang führen, aber derart rumpelig sind, dass es sich nie und nimmer  um die offizielle Route handeln kann. Vor und zurück, die Dämmerung bricht herein, doch bald finden wir eine Straße, auf der auch die türkischen und georgischen LKW Staub aufwirbeln. Wenn auch voller Schlaglöcher, müssen wir endlich auf dem richtigen Weg sein. Mit Einbruch der Dunkelheit entern wir die Grenze. Zweiter Strich durch die Rechnung: es geht nicht so flott, wie wir es uns vorgestellt haben. Die Grenzer sprechen kein Englisch, haben aber alle möglichen Anweisungen parat. Passenger hier, Fahrer dort, beide vor die Kamera, dann darf ich (wie üblich) die Grenze allein zu Fuß überqueren und warte drüben in der Türkei. Und zwar in einer anderen Zeitzone, denn immerhin eine Sache ging schnell: die verlorene Stunde ist wieder da! Trotzdem ist das natürlich nicht der Grund, dass ich  immer noch warte. Und noch länger warte. Zweimal taucht der Ehemann auf und wird wieder von dannen geschickt: Auto durchsuchen, Auto röntgen-durchleuchten. Und.Es.Ist.Wirklich.Affenkalt! Immerhin: wir sind auf dem richtigen Weg. Der Halbmond leuchtet am Himmel und der Muezzin singt auch am Grenzübergang. Und nach endlosen anderthalb Stunden darf auch der Ehemann samt tapferer „13“ tatsächlich einreisen. Unseren per Park4Night-App entdeckten Schlafplatz sehen wir nicht mehr, zu dunkel ist es, als wir endlich dort ankommen. 

Umso größer die freudige Überraschung am Morgen: unter uns gähnt die tief eingeschnittene Kara-Schlucht, gegenüber die zerfallene Ruine des Seytan-Schlosses (mit türkischer Flagge, wir sind also wirklich richtig), über uns schönster Sonnenschein! Daneben der beginnende Bau eines Hauses (?) mit Glasbodenterrasse über der Schlucht. Wohl was Wichtiges, denn plötzlich fahren etliche offiziell aussehende Fahrzeuge vor, eins mit türkischer Flagge am Kühler, Polizeiautos, Militärfahrzeuge, Soldaten mit Waffen an den Schultern, Herren in Anzügen, Fotografen! Großer Wirbel, die Baustelle wird erklettert, Bilder werden geschossen. Für uns interessiert sich derweil niemand. Nach zwanzig Minuten ist der Wirbel vorbei, alle verschwinden in einer Staubwolke. Was auch immer das gewesen sein mag… Kurze Zeit später ein picknickendes Paar mit Kleinkind. Gleich werden wir freundlich begrüßt und bekommen einen Teller mit Obst geschenkt. Jep, wir sind wieder in der Türkei angekommen!

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Wo wir wohnen ist nicht wichtig! Haltet unterwegs die Augen nach der 13 auf!!


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